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Franz Barwich
DER KOMMUNISTISCHE AUFBAU DES SYNDIKALISMUS.[1]
Als am 9.November 1918 die Arbeiter und Soldaten in geschlossener Einmütigkeit
die deutschen Machthaber gestürzt und damit deren politische Gewalt zerstört und
anderen in die Hände gespielt hatten, wußte das Volk nichts weiter anzufangen.
Es setzte zwar überall Soldaten- und Arbeiterräte ein, duldete es aber, daß sich
daneben gleichzeitig eine Anzahl von sozialdemokratischen »Führern« als
Zentralregierungen unter den verschiedensten Firmierungen, wie Zentralregierung,
Zentralrat, Vollzugsrat usw. etablierten. Es konnte auch gar nicht anders
kommen! War doch die deutsche Arbeiterschaft planmäßig gedrillt in dem Glauben,
daß alle politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen durch »Führer« vorgenommen
werden müßten. Man war froh, jetzt das Ziel, die Eroberung der politischen
Macht, erreicht zu haben, und glaubte nun, nach dem Sprichwort: »Doppelt hält
gut«, seine Schuldigkeit getan zu haben. Von einer Seite der gewählten Vertreter
würde wohl nun sicher das Heil kommen, entweder von den »Räten« unten, oder von
der »Revolutionären Regierung« oben. Inzwischen haben wir es erlebt, daß die
sozialdemokratische Regierung nicht revolutionär, sondern reaktionär ist, daß
die Räte zunächst nicht wußten, was sie mit ihrer Macht anfangen sollten. Später
gaben die Räte dann z.T. selbst ihre Machtbefugnisse auf, die Reste wurden ihnen
durch die Zentralinstanzen entzogen.
Das Volk ließ dies alles geschehen, obgleich es in der ersten Zeit noch die
Macht gehabt hätte, seinen Willen durchzusetzen. Verwunderlich ist dieses
Verhalten des deutschen Volkes nicht, stand es doch gänzlich unvorbereitet den
Ereignissen gegenüber. Obwohl von einigen Heißspornen in der »Partei" zuweilen
noch revolutionäre Töne angeschlagen wurden, war die Mehrheit durch die Praxis
völlig zu bürgerlichem Philistertum herabgesunken, nicht zuletzt dank der Taktik
der Zentralverbände. Man nannte sich Sozialdemokrat, glaubte an das sichere
spätere Kommen des Zukunftsstaates, von dem man sich allerdings gar keine oder
die kunterbuntesten Vorstellungen machte; es war aber grundsätzlich verpönt,
darüber zu sprechen, was man unter Sozialismus oder Sozialisierung zu verstehen
habe. So konnten die deutschen Arbeiter natürlich nicht daran denken, daß es in
der Revolution gerade und nur ihre Hauptaufgabe sein müßte, nach dem
Zusammenbruch der politischen Gewalt die wirtschaftliche Macht zu ergreifen. So
verblieb der Privatkapitalismus unangetastet, die sozialdemokratische Regierung
versuchte mit Hilfe des bürgerlichen Parlamentarismus die zerrüttete Wirtschaft
wieder aufzurichten. Da dies eine Unmöglichkeit ist, mußte das Chaos immer
großer werden. Unter diesen Wirkungen hat nun zwar allgemein eine starke
oberflächliche Entwicklung der gesamten Arbeiterschaft nach links stattgefunden,
aber trotzdem ist sich die übergroße Mehrheit auch heute noch nicht klar über
den Weg und das Ziel der unumgänglich notwendigen Sozialisierung. Die alte und
die neu hinzugekommenen sozialdemokratischen Parteien gebärden sich mehr oder
minder »radikal«, erschöpfen sich aber darin, Parteistimmenfang zu treiben, mit
Schlagwörtern (wie Räte-System, Räte-Regierung, alle Macht den Arbeiter- und
Soldaten-Räten usw). und gegenseitigen Schimpfereien zu arbeiten, ohne aber ihre
Mitglieder geistig aufzuklären und einen gangbaren Weg zu weisen. Bis jetzt
liefen alle Vorschläge dieser Staatssozialisten und Staatskommunisten darauf
hinaus, lediglich das Privatkapital zugunsten eines Staatskapitalismus zu
beseitigen, wobei Profit- und Lohnsystem aufrecht erhalten werden sollen.
/4/ Nach den Vorschlägen vieler Vertreter der Mehrheitssozialisten[2] und
Unabhängigen[3], einschließlich Kautsky[4], sollen den Unternehmern die Betriebe
abgekauft werden. Ursprünglich hieß es, bloß zu Preisen, die ungefähr der
letzten Friedenszeit entsprechen sollen. Bei der Verstaatlichung der Ilseder
Hütte (von der man aber inzwischen wieder Abstand genommen hat), wollte man aber
den Aktionären für das investierte Kapital von 21 Millionen rund 67½ Millionen
bezahlen. Es ist aber nicht mehr wie billig, daß die Besitzenden keine
Entschädigungen bekommen. Leider ist es nicht möglich, ihnen die genossenen
Vorteile aus den Privilegien wieder abzunehmen, da sie schon verbraucht sind.
Aber das wäre eigentlich erst gerecht. Bei einer wirklichen Sozialisierung kann
es aber keine Entschädigung geben, weil es keine Rente und keine Lohnsklaverei
mehr gibt, weil die Klassen aufgehoben sind, mithin kann es auch keine
Nutznießer mehr geben.
Eine Konferenz der Vertreter der Verbandsvorstände der zentralverbändlerischen
Gewerkschaften[5] am 25. April 1919 hat den politischen Parteien die Marschroute
vorgeschrieben; wie sie sich die Sozialisierung denken, geht aus dem Punkt 5 der
Richtlinien hervor, die folgendermaßen lauten:
»Die Gewerkschaften haben auch in der Gemeinwirtschaft und selbst in völlig
sozialisierten Betrieben die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber
Betriebsleitung, Gemeinde und Staat zu vertreten. Sie sind deshalb auch im
Zeitalter des Sozialismus notwendig. Die soziale Fürsorge der Gesellschaft macht
die gegenseitige Hilfe der Arbeiter in ihrem Organisationen nicht entbehrlich.
Die Gewerkschaften fordern von der Gesellschaft eine ausreichende Fürsorge für
die Bedürftigen, insbesondere für die Erwerbsunfähigen, Erwerbsbeschränkten und
ohne eigenes Verschulden Erwerbslosen. In dem Masse der Verwirklichung und
Sicherung dieser öffentlichen Fürsorge können die gewerkschaftlichen
Unterstützungseinrichtungen abgebaut werden.«
Das ist eine glatte Verfälschung des Begriffes Sozialismus. Der Gegensatz
zwischen »Arbeitnehmer« und Betriebsleitung, Gemeinde und Staat soll bestehen
bleiben. Statt den »vollen Ertrag unserer Arbeit« sollen wir eine ausreichende
Fürsorge, und zwar für die nach Ansicht unserer Herren »Führer« Bedürftigen
bekommen. Von seiten des Herrn Ballod[6] von der U.S.P.D. wurde in einem Artikel
in der »Freiheit«[7] angekündigt, daß in dem »sozialdemokratischen Staat«
natürlich für alle Männer ein mehrjähriges Arbeitspflichtgesetz eingeführt
würde. Diejenigen jungen Leute, die sich freiwillig zum Heeresdienst melden
würden, sollten gegen eine dreimonatliche Militärdienstzeit von diesem
Arbeitszwang befreit sein. Auf diese Art will man zwei Fliegen mit einer Klappe
schlagen. Auch andere Staatssozialisten kommen zu ähnlichen Vorschlägen. So
Vorreiter in seiner Broschüre »Atlanticus oder Spartakus«[8]. In anschaulicher
Weise schildert dieser, wie die Reglementierung das ganze wirtschaftliche Leben
umfassen würde. Jedermann, auch die Frauen, würden auf 6 – 8 Jahre in
Arbeitsheere eingereiht werden, in denen natürlich niemand streiken darf, dafür
aber das Taylor-System[9] zur planmäßigen Anwendung gelangt. Männer dürfen mit
25 Jahren, Frauen mit 21 Jahren heiraten. In diesem Arbeitsheer gäbe es
Kapitulanten, die natürlich wie Beamte, besoldet würden, ähnlich den Feldwebeln
bei den Preußen. Die Staatszeitung dient dem Zwecke, alle Staatsbürger mit dem
leitenden Gedanken der Regierung bekannt zu machen, sie also gewissermaßen im
Sinne der Regierung zu beeinflussen. /5/ Beeinflussung von anderer Seite, die
dem Staatsgedanken schädlich sein könnte, wird unmöglich gemacht. Für die zur
Sozialisierung noch nicht »reifen Mittel- und Kleinbetriebe« soll eine
Drittelung des Ertrages Platz greifen: 1/3 für das Kapital, 1/3 für den Staat,
1/3 für die Arbeit. – Daß der Staatskommunismus genau eben so volksfeindlich
vorgehen muß, ist uns durch die Räte-Regierung in Ungarn bewiesen worden. Diese
hatte die Todesstrafe angedroht für Sozialisierungsversuche durch die Arbeiter
selbst. Ebenso wurden in Ungarn Arbeiter von ihren Arbeitsbrüdern füsiliert,
wenn sie sich weigerten, an dem Kriege teilzunehmen. Verlängerte Arbeitszeit bei
Arbeitszwang hatte dieser Parteikommunismus den Arbeitern eingebracht, so daß
sich keine Hand für denselben rührte, als er zusammenbrach.
Herr Ballod hat auch ein ausführliches Buch über den »sozialistischen
Zukunftsstaat«[10] geschrieben. Aus demselben ist die unglaubliche
Kompliziertheit dieses Systems ersichtlich; die Gesellschaft soll zu einer
gigantischen Rechenmaschine ausgebaut, warmes organisches Leben soll zu kalter
mechanischer Bewegung erstickt werden. Auf Pfennig und Sekunde wird alles
gesellschaftliche Tun und Lassen statistisch reglementiert, der Überschuß der
Arbeit der ganzen Gesellschaft aus einem großen Topf verteilt an Staat,
Betriebe, Erwerbsunfähige oder Erwerbslose und die Arbeiter. So sieht also der
Sozialismus dieser Parteien aus. Was aber auf der anderen Seite für Vorteile für
die Arbeiter her aus springen würden, hat der »Vorwärts«[11] in einem Artikel
verraten, in welchem er sagt, daß die Arbeiter nicht etwa annehmen sollten, daß
sie sich nach der Verstaatlichung wesentlich besser stehen würden. Auch nach der
Sozialisierung könnten nicht zu hohe Löhne gezahlt werden, da sonst die
Unternehmen die notwendigen Überschüsse nicht erzielen könnten. Auch Kautsky
sagt in seinem famosen Programm dasselbe. Es sei zwecklos, ja schädlich, wenn
die Arbeiter in sozialisierten Betrieben hohe Löhne bezögen, denn dann müßten
sie um so höhere Steuern entrichten. Die Unternehmer würden bei dieser Art
»Sozialisierung« dagegen nicht schlecht fahren. Erklärt doch das »Berliner
Tageblatt«, das fachmännische Organ für Profitinteressen:
»Im Bergbau, der augenblicklich im Mittelpunkt dieser Ideen steht, wäre die
Verstaatlichung des Besitzes nichts anderes als die ökonomisch gänzlich
unmotivierte Umwandlung einer nur mäßig gesicherten privaten Rente der
gegenwärtigen Besitzer in eine vollgesicherte Rente öffentlichen Charakters. Sie
wäre deren Garantierung für alle Zeit, ein glattes Geschäft an die heutigen
Monopolisten. Und das zudem in einem Augenblick, wo diese Rente vermöge der
wachsenden Abbauschwierigkeiten die natürliche Tendenz hat, zu sinken.«
Es ist also offenkundig, die ganze Verstaatlichung ist ein großartig angelegter
Schwindel. Jede Regierung, mag sie sich nennen, wie sie will, muß zentralistisch
sein. Der Zentralismus ist aber ein Pfeiler des Kapitalismus, er entrechtet die
Massen. Eine »Regierung« kann nie revolutionär sein, sondern muß immer
reaktionär wirken. Die gesamte Tätigkeit der »sozialdemokratischen« Regierung
seit dem 9. November hat sich darin erschöpft, die Errungenschaften der
Revolution abzubauen und illusorisch zu machen.
Der wahre, freie Sozialismus ist nur durch die lebendige Mitarbeit aller
möglich, und zwar nur auf föderativer Basis. Nur der Föderalismus garantiert
Freiheit und Fortschritt. Darum glauben wir Syndikalisten auch nicht an die
Möglichkeit /6/ der Durchführung einer wirklichen Sozialisierung auf dem Wege
der Dekretierung durch eine zentralistische Regierung. Dadurch können höchstens
zwischenzeitliche, staatskapitalistische Formen eingeführt werden. Und die
Dekrete werden auch nur befolgt werden, wenn die Massen durch ein entscheidendes
Interesse oder gar unerträgliche Not dazu gezwungen werden. Entscheidend ist in
jedem Fall die Erkenntnis und der Wille der Massen. Wir wollten deshalb die
Erkenntnis verbreiten, wie das Arbeitsvolk sozialisieren muß.
Da gilt es, zwei Fragen zu beantworten: »Was hat der einzelne jetzt und in der
Zukunft zu tun?« und »Wie müssen wir die gesellschaftlichen Zustände aufbauen?«
Zunächst müssen wir überall den Glauben zerstören, daß die »Führer« schon wissen
werden, was zu tun ist, und daß die Verstaatlichung, wie wir sie ja schon bei
der Eisenbahn, Post usw. kennen, Sozialismus sei. Dann müssen wir überall die
rechte Art der Sozialisierung bekannt machen und schließlich schon jetzt in den
Betrieben diskutieren, auch Kommissionen für die verschiedenartigen Funktionen
einsetzen.
Wir wissen aus der Geschichte, und der Verlauf der Revolution lehrt es von
neuem, daß eine so radikale Umwälzung, wie die Aufhebung der
Eigentumsverhältnisse und des Rentensystems nicht auf dem Wege der Evolution
erfolgen kann. Daß es nicht möglich ist, durch Reformen nach und nach die
wirtschaftliche Macht des Kapitalismus zu beseitigen, daß vielmehr umgekehrt die
Entwicklung dahin geht, die wirtschaftliche Macht in immer weniger Hände zu
konzentrieren, die Ausbeutung der Arbeitsklasse immer mehr zu verschärfen. Mit
einem Ruck hat am 9. November 1918 das Volk die Ketten gesprengt, die
Entwicklung nachdem geht aber immer mehr rückwärts, mit jeder Stunde nimmt
seitdem wieder die Macht der Besitzenden und die Unfreiheit der Massen zu. Es
kann auch nicht anders sein. Alle Gesetze, Verfassungen, Verordnungen usw.
werden von den Machthabern und ihren Nutznießern gemacht, um Vorteile
herauszuschlagen. Das geht so lange, bis den Regierten, Ausgebeuteten die Lasten
unerträglich werden, dann zerbrechen sie alle Gesetze und Verfassungen. Es wird
so lange rückwärts gehen, bis dem Volke die Unerträglichkeit der Lasten zum
Bewußtsein gekommen sein wird. Dann wird es dem Volke klar geworden sein, daß es
sich um die wirtschaftliche und nicht um die politische Macht handelt, und wir
werden die soziale Revolution haben.
Am Tage der sozialen Revolution, wenn die politische Macht wieder zertrümmert
sein wird, darf dann keine neue Regierung irgendeiner Partei eingesetzt oder
geduldet werden. Dagegen haben überall die Vertrauensleute der Arbeiter und
Angestellten die öffentliche Macht zu übernehmen. Die nächste Aufgabe ist dann,
daß in allen Betrieben die Vertrauensleute oder Räte der Arbeiter und
Angestellten die Direktoren oder Inhaber absetzen und selbst die Betriebe mit
den vorher bestimmten Delegierten besetzen. Es ist zunächst eine genaue Inventur
zu machen, festzustellen, wieviel Geld oder andere Werte und wieviel Rohstoffe
und Fertigfabrikate vorhanden sind, ferner was in Zukunft in dem Betriebe am
besten hergestellt werden könnte, und welche Materialien hierfür benötigt
würden. Es liegt auf der Hand, daß diese Arbeiten gewerkschaftlicher Natur sind,
daß für alle diese Aufgaben vorher Kommissionen aus den Reihen der Arbeiter und
Angestellten des Betriebes eingesetzt sein müssen, die im Bilde sind und sich
die Arbeiten ungefähr eingeteilt haben. Bei richtiger Ein- und Verteilung sind
diese Arbeiten selbst in den größten Betrieben in einigen Tagen durchführbar.
Wenn das Resultat der Aufnahmen schriftlich festliegt, wählen die
Vertrauensleute (oder Betriebsräte) aus ihrer Mitte einige Delegierte, die den
Auftrag bekommen, mit gleichen Delegierten aus dem ganzen Ort zusammenzukommen,
um aus den einzelnen Zusammenstellungen der Betriebe eine
Generalzusammenstellung für den ganzen Ort zu machen. Auch diese Arbeit ist in
wenigen Tagen durchführbar. Aus der Mitte dieser Betriebsdelegierten werden dann
wieder einige Delegierte bestimmt, die mit den Delegierten für einen größeren
Bezirk, Kreis oder Provinz zusammenkommen (Bezirksrat), um dort ebenfalls das
Ergebnis zusammenzustellen.
Im übrigen setzt sich die Gruppe von örtlichen Betriebsdelegierten mit dem
Gewerkschaftskartell (oder wie man nach französischem Muster besser sagen muß:
Arbeiter-Börse, um keine Verwechslung herbeizuführen mit den
zentralver-bändlerischen Kartellen) für den Ort ins Benehmen. Diese
Arbeiter-Börse hat die Funktionen der bürgerlichen Gemeinde übernommen und
inzwischen festgestellt, was für Lebensmittel am Orte vorhanden sind, wieviel
demnächst gebraucht werden, ebenso welche Bekleidungsstücke,
Gebrauchsgegenstände, Wohnungen usw. Von dieser Arbeiter-Börse werden ebenfalls
einige Delegierte zu der Bezirkszusammenkunft geschickt, und dort nach
Möglichkeit ein Ausgleich zwischen Orten mit Überschuß und anderen mit Bedarf an
Lebensmitteln, Bekleidung und Gebrauchsgegenständen herbeigeführt.
Die Delegierten aus den Betrieben und die Arbeiter-Börse bilden nun eine
dauernde Institution, einen Kommunal-Rat, um alle gesellschaftlichen
Verhältnisse des Ortes zu regeln. Da durch die soziale Revolution alle
gesetzlichen Bestimmungen, die früher zum Schütze der kapitalistischen
Ausbeutung notwendig waren, hinfällig geworden sind, muß dieser Kommunalrat ganz
anders arbeiten, wie die frühere Gemeindeverwaltung. Er setzt einfach für die
verschiedenen Tätigkeitsgebiete Kommissionen ein, die frei von allen Paragraphen
und Bevormundungen nach bestem Wissen und Können alle Verhältnisse
wirtschaftlicher und politischer Natur neu regelt, ohne von irgendwo abhängig zu
sein. Diese Kommissionen wirken in ähnlicher Weise wie die Ausschüsse und
Kommissionen in unseren Vereinen und Organisationen.
Die Lebensfrage für die neue kommunistische Ordnung ist die Sicherung einer
gleichmäßigen und ausreichenden Ernährung für das Volk. Das erste muß daher
sein, alle Lebensmittel restlos zu erfassen und gleichmäßig zu verteilen, für
rechtzeitige Beschaffung notwendiger Nahrungsmittel zu sorgen. Eine größere
Kommission aus zielklaren und energischen Personen hat diese Aufgabe zu lösen.
Diese Kommission hat gleichzeitig für Sozialisierung des in Betracht kommenden
Grund und Bodens im Ortsbezirk zu sorgen, in welcher Weise dies zu geschehen
hat, wird später gesagt.
Weiter müssen zur Linderung der wahrscheinlich großen
Lebensmittelschwierigkeiten öffentliche Speiseanstalten von dieser
Lebensmittelkommission eingerichtet werden.
Eine Wohnungskommission hat einen Ausgleich der Behausungen für die ganze
Bevölkerung durchzuführen, natürlich hat sie hierfür die Mitwirkung aller
Bewohner nötig. Zur Mitwirkung wären in erster Linie die Mieter-Vereine berufen.
Eine andere Kommission hat das Schul- und Bildungswesen umzubauen, mit den
Lehrern unter Berücksichtigung aller verfügbaren Räume eine
Einheitsarbeitsschule zu organisieren für Unterrichtskurse für Jugendliche und
Erwachsene zu sorgen und dergl.
/8/ Dann ist eine Kommission für Gesundheitspflege einzusetzen, die den ganzen
Ort in ärztliche .Bezirke teilt unter Mitwirkung der Ärzte und unter
Hinzuziehung des heute beschäftigungslosen Ärzteproletariats, und so die ganze
Bevölkerung unter dauernde ärztliche Aufsicht bringt. Diese Kommission hat auch
für ausreichende Einrichtung von Kranken- und Irrenhäusern, Badeanstalten,
Alters- und Invalidenheimen zu sorgen. Die nötigen Räumlichkeiten werden durch
Einrichtung von überflüssigen Kirchen, Kasernen, Gefängnissen usw. gewonnen.
Schließlich wäre auch eine Kommission für Verkehrsangelegenheiten, Ortsreinigung
und Pflege usw. nötig, und in der ersten Zeit der Unvollkommenheiten auch ein
Schlichtungsausschuß zur Regelung von Meinungsdifferenzen.
Der Kommunal-Rat, ebenso wie der Bezirks-Rat und alle anderen Räte, ferner alle
Kommissionen bleiben in lebendiger Verbindung mit der gesamten arbeitenden
Bevölkerung, sie können jederzeit von ihren Auftraggebern abberufen und durch
andere Personen ersetzt werden, sie bleiben dauernd produktiv Tätige, Gleiche
unter Gleichen.
Die Bezirksräte haben neben ihren industriellen Aufgaben auch für die restlose
Sozialisierung der Landwirtschaft zu sorgen. Dabei ist natürlich so zu
verfahren, daß alle Kleinbauern, Büdner, Kätner und Kleinpächter ihren Grund und
Boden zur Bearbeitung und Verwaltung behalten, unter Umständen noch welchen
hinzubekommen. Die Enteignung kann sich nur erstrecken auf den Groß- und
Mittelgrundbesitz und auf alle öffentlichen Ländereien, die sich im Besitz von
Körperschaften, wie Gemeinde, Kreis, Staat, Kirche usw. befinden. Dieser Grund
und Boden wird nun den besitzlosen Landarbeitern und den Erwerbslosen aus den
Städten zur Verfügung gestellt.
Die Betriebsräte haben ferner alle übrigen Angelegenheiten im Bezirk zu ordnen
also den Verkehr, die öffentlichen Wasser- und Landstraßen, unter Umständen auch
die im Bezirk vorhandenen industriellen Großbetriebe, wie Elektrizitätswerk usw.
Für alle besonderen Funktionen sind wieder Kommissionen einzusetzen.
Wahrscheinlich wird sich auch die wichtige Frage des Wohnungsbaues nicht rein
örtlich regeln lassen, sondern von dem Bezirksrat im Einvernehmen mit den
Syndikalisten der verschiedenen Bauarbeiter gelöst werden müssen. Es ist
überhaupt selbstverständlich, daß in vielen Gewerben und Berufen die Syndikate
der Arbeiter nicht bloß nebeneinander mit anderen Ortssyndikaten verhandeln
müssen, sondern auch übereinander mit den anderen Syndikaten desselben Berufes.
Diese Föderationen der einzelnen Berufsgruppen sind ja auch schon vorher
vorhanden, da der Aufbau unserer Gewerkschaften nach diesem System vorgenommen
ist. Als Beispiel sei die Organisation der Freien Vereinigung der Bergarbeiter
angeführt, die folgendermaßen ist:
Gliederung.
Das gemeinsame Zusammenwirken der einzelnen Ortsvereine wird dadurch
herbeigeführt, daß Bezirks-, Revier-, Landes- und Reichs- Vertrauensmänner
-Körperschaften derart gebildet werden, daß die ersten Vorsitzenden der
Ortsvereine bezirksweise zusammentreten. Die Obleute der einzelnen Bezirke
treten revierweise, die Revierobmänner zur Landesarbeitsgemeinschaft zusammen.
Die Obleute der Landesarbeitsgemeinschaften bilden die Reichsföderation.
Die Reichsföderation tritt mit den auf syndikalistischen Grundsätzen beruhenden
Föderationen anderer Berufe in die Arbeitsgemeinschaft (Allgemeiner
Arbeiterbund).
/9/ Zur Gliederung der Föderation wird folgende kurze Erläuterung gegeben: die
Föderation baut sich auf dem wirtschaftlichen Rätesystem auf. Die ersten
Vorsitzenden der Ortsvereine treten kreisweise zusammen. Die Kreisvereinigungen
wählen einen Obmann. Diese Obmänner treten bezirksweise zusammen. Die
Bezirksvereinigungen wählen aus sich heraus Obmänner. Diese Obmänner treten
provinzweise zusammen. Die Provinzvereinigungen wählen ebenfalls aus sich heraus
Obmänner. Diese Obmänner treten landesweise zusammen. Die Provinz-Vereinigungen
bestimmen Obmänner, diese bilden die Reichsföderation. Die ersten Vorsitzenden
der Ortsvereine treten mit den ersten Vorsitzenden der Vereinigungen anderer
Berufe in die Arbeitsgemeinschaft. Die Obleute der Arbeitsgemeinschaften treten
kreis-, bezirks-, provinz- und landesweise in die Arbeitsgemeinschaft. Die
Obmänner der Landesarbeitsgemeinschaften bilden den Reichsarbeitsverband, dem
eine Geschäftskommission beigegeben wird. Auf dieser organisierten Arbeit soll
auch das Gesellschaftsleben aufgebaut werden.
Die Träger und Leiter der Organisationen sind die tätigen Genossen im Schacht,
Hütte, Werkstatt usw. Nur sie allein haben beschließendes Recht. Alle Instanzen
ergeben sich automatisch von unten. Indem der Ortsverein dem Landes- oder
Reichsratsmitglied sein ihm bisher gewährtes Vertrauen entzieht, ist es seiner
Stellung enthoben.
Die Arbeit soll der Fels sein, auf dem die Gesellschaft der Zukunft erbaut sein
wird.
So bilden unsere Gewerkschaften schon jetzt dieZellen der neuen freien
kommunistischen Gesellschaft.
Auf diese Weise baut sich ein Rätesystem etagenweise von unten nach oben auf,
ganz nach Bedarf, dessen Spitze zum Schluß der Wirtschaftsrat bildet. Dieser hat
die Vorräte und den Bedarf für das ganze Wirtschaftsgebiet vorliegen und muß
feststellen, in welcher Weise eine Verteilung erfolgen kann. Der Wirtschaftsrat
muß auch die Beschaffungs- und Austauschstelle für notwendige Lebensmittel und
Rohstoffe von Nachbarvölkern gegen überflüssige Fabrikate bilden.
Hiernach wird es klar, wie sehr sich das von uns angestrebte Rätesystem
unterscheidet von allen anderen. Wir verstehen darunter nichts besonderes,
neues, sondern schlechthin die Ordnung aller gesellschaftlichen Verhältnisse
durch die Arbeiter selbst. Die Räte sollen durch kein Wahlreglement bestimmt,
keinen gesetzlichen Schranken unterworfen und von keiner Regierung abhängig
sein. Sie sind die produzierenden, verwaltenden, vertreibenden, regelnden und
ausführenden Organe des Arbeitsvolkes. Sie regeln alle Angelegenheiten im Wege
der gegenseitigen Vereinbarungen, ohne parlamentarischen Zwang, ihre Grundlage
bilden und bleiben stets die Arbeiter in den Betrieben, d.h. die Gewerkschaften.
Selbstverständlich können die einzelnen Kommissionen und Interessengruppen auf
dem Weg der freien Vereinbarung in Meinungsaustausch mit den Kommissionen oder
Gruppen anderer Bezirke, die gleiche oder ähnliche Aufgaben oder Ziele haben,
treten, wie z.B. die Schulkommissionen; diese Zusammenkünfte hätten aber nur
einen klärenden und wegweisenden Charakter; jeder Gruppe bleibt die Freiheit der
Entwicklung vorbehalten.
Von unseren Gegnern wird oft angenommen, oder wenigstens behauptet, daß der
Föderalismus die Gesellschaft zerklüften, atomisieren würde. Das ist eine
Verkennung des Begriffs. Föderalismus heißt im Gegenteil »Bündnissucht«! Alle
Gruppen sind in Gleichwertigkeit nebeneinander verbunden. – Als Beispiel muß man
sich das Funktionieren von Einrichtungen wie den Weltpost-Verein vor Augen /10/
halten. Ohne eine darüberstehende Zentralinstanz vollzieht sich der Verkehr von
Land zu Land in exakter und einfacher Weise durch gegenseitige Vereinbarungen.
Dagegen bedingt es gerade das System des Zentralismus, daß die einzelnen Gruppen
sich wenig oder gar nicht umeinander kümmern, ja oft gegeneinander arbeiten, um
ihre Sonderinteressen wahrzunehmen. Sie richten sich ja lediglich nach den
Direktiven und Bestimmungen der Zentralstelle und haben kein zwingendes
Interesse, auf die Nachbargruppen Rücksicht zu nehmen. Also der Zentralismus
zerklüftet, der Föderalismus vereint die Gruppen!
Hieraus ergibt sich auch, daß wir Syndikalisten uns an keinerlei sogenannten
Arbeiterräten, Betriebsräten, Kommunalen Räten innerhalb der Heutigen
kapitalistischen Gesellschaft beteiligen können. Diese »Scheinräte« werden von
Regierung und Kapitalismus gebildet, um mit Hilfe dieses neuen parlamentarischen
Schwindels an Stelle des abgewirtschafteten alten die kapitalistische Wirtschaft
wieder aufzurichten. Sie sollen zwischen Unternehmertum und Staat einerseits und
den Arbeitern andererseits verhandeln, das Bindeglied bilden. Und zwar sollen
die Interessen der Arbeiter verhandelt werden. Da wir nicht verhandeln wollen,
können wir auch an diesen Scheinräten nicht teilnehmen, weder aktiv noch passiv.
Unsere Aufgabe ist es, mit allen Kräften für geistige Aufklärung zu sorgen, in
allen Betrieben Vertrauensleute einzusetzen, Kommissionen zu bilden, die sich
für die Aufgaben am Tage der sozialen Revolution vorbereiten.
Durch die praktische Wirtschaft wird in der neuen Gesellschaft der Unterschied
zwischen Hand- und Kopfarbeiter ohne weiteres aufgehoben sein. Jedermann wird
irgendwie, in der Industrie, in der Landwirtschaft oder in öffentlichen
Anstalten tätig sein. Kunst und Wissenschaft werden nach und nach aufhören,
Berufe zu sein, dem ganzen Volke stehen alle Bildungsmöglichkeiten offen. Es
wird dem Dichter und Schriftsteller ein Vergnügen sein, seine Werke nunmehr
selbst zu setzen, drucken, einbinden zu helfen, womit er eine gesellschaftliche
Tätigkeit verrichtet. Kann er doch dadurch erst richtig sein Werk harmonisch
nach außen und innen gestalten. Ebenso werden die Forscher gern teilnehmen an
der Konstruktion und an dem Bau der benötigten Ferngläser, Vergrößerungs- und
Verkleinerungsgläser usw. Reflektanten von Luxus- und Vergnügungsgegenständen
werden sich ebenfalls zusammenschließen und einen Teil ihrer freien Zeit zur
Fabrikation der gewünschten Artikel benutzen. Die Arbeit selbst wird in schönen
Räumen, unter Benutzung aller technischen Fortschritte und Bequemlichkeiten vor
sich gehen, und daher jedermann Freude bereiten.
Wie später nachgewiesen wird, genügt es, wenn alle Arbeitsfähigen vielleicht
vier bis fünf Stunden pro Tag gesellschaftlich produktiv tätig sind; wenn man
berücksichtigt, wieviel Menschen heute faulenzen, nutzlose, überflüssige oder
gar eine zerstörende Tätigkeit ausüben (z.B. alle Geistlichen, Militärs, fast
alle Beamten und Kaufleute), so kommt man ohne weiteres zu dieser kurzen
Arbeitszeit. Aber es läßt sich noch viel mehr sparen, wenn man von dem
überspannten kapitalistischen System der Arbeitsteilung auf jeden Fall abgeht,
wodurch alle Waren in ungeheuerlicher Weise verteuert werden. Bei dieser kurzen
Arbeitszeit muß dann jeder Mensch noch einige Stunden pro Tag aufwenden für
Erledigung der im öffentlichen Interesse notwendigen wirtschaftlichen und
politischen Angelegenheiten, politisch nicht im heutigen Sinne von
Parteipolitik, sondern im wahren Sinne des Wortes »politica«, d.h. öffentliches
Wohl! Er behält dann immer noch Zeit genug übrig für seine persönlichen
Passionen.
/11/ Ebenso wie der Unterschied zwischen Kopf- und Handarbeitern muß aber auch
der noch größere zwischen Land- und Stadtbevölkerung beseitigt werden. Es ist
dies notwendig, um auch die Landbevölkerung geistig zu heben, denn die
einseitige Betätigung auf der Scholle wirkt im konservativen Sinne. Ferner ist
dies nötig, um vor allem die Porduktivität in der Landwirtschaft zu steigern.
Durch den Weltkrieg sind so schlechte Verkehrs- und Tauschverhältnisse
hervorgerufen worden, daß wir uns nicht darauf verlassen dürfen, die notwendigen
Lebensmittel aus anderen Ländern bezahlen zu können. Wir haben so gut wie keine
Tauschwerte mehr und auch keine Aussicht, solche schaffen zu können, weil die
Entente-Räuber alle erreichbaren Überschüsse nehmen werden.
Der Bezug von anderen Ländern ist auch viel zu unproduktiv und wird von der
kapitalistischen Gesellschaft nur deshalb als das Allheilmittel gepredigt, weil
auf diesem komplizierten Wege sich hundertmal Profit herausschinden läßt.
Es ist klar, daß es sehr teuer wird, Getreide aus dem Innern Argentiniens auf
der Eisenbahn an die Küste, dort auf ein Schiff umzuladen, dann wochenlang über
das Weltmeer nach einem heimischen Hafen und nach wiederholtem Umladen endlich
per Eisenbahn nach hier zu bringen. In der gleichen Weise verteuern sich auch
die Industriefabrikate, die von hier nach dort geschickt werden. In der
sozialistischen Wirtschaft wird uns unsere Arbeitskraft hierfür zu kostbar sein,
wir werden dies vermeiden, wenn es geht; und es geht! Wie Kropotkin in seinem
Werke »Landwirtschaft, Industrie und Handwerk«[12] nachweist, wäre selbst
England mit eigenem Grund und Boden in der Lage, die doppelte Zahl der heutigen
Bevölkerung zu ernähren, sofern in moderner Weise, unter Anwendung der
technischen Hilfsmittel und der wissenschaftlichen Erfahrungen, gearbeitet
würde. Um die.Inlandsproduktion an Lebensmitteln schnellstens zu heben, müssen
wir sofort landwirtschaftliche Maschinen und Geräte in genügender Menge den
Landbebauern zur Verfügung stellen, überall die genossenschaftliche
Bewirtschaftung einzuführen suchen und dann vor allen Dingen die etwas
rückständige Landbevölkerung vermischen mit den technisch gebildeten
Erwerbslosen aus den Städten. Unter Anleitung von Gärtnern und Männern der
Wissenschaft werden diese dann auf genossenschaftlicher Basis das Land bebauen,
mit ganz anderem Erfolg wie heute. Die Erfahrung lehrt uns, daß es ja nicht
schwer ist, unter bestimmten Voraussetzungen das Doppelte, ja Dreifache und
Vierfache zu ernten wie bisher.
So erzielte ein Pariser Gärtner auf einer Bodenfläche von 110 x 110 Meter in
einem Jahr: 10.000 kg Karotten, 10.000 kg Zwiebeln, 6000 Köpfe Kohl, 3000 Köpfe
Blumenkohl, 5000 Körbe Tomaten, 5000 Dutzend Früchte, 154.000 Köpfe Salat,
insgesamt 125.000 kg erstklassiges Gemüse[13]. Bei dieser Art Bewirtschaftung
würden schon die Berliner Rieselfelder ungefähr genügen, ganz Berlin zu
ernähren. Bei dieser wissenschaftlichen Bewirtschaftung des Bodens wird der
Ertrag unabhängig von Klima und Feuchtigkeit. Verhungern brauchen wir also
niemals; bis wir soweit sind, können wir sehr wohl von Rußland im Tauschverkehr
genügend Lebensmittel erhalten.
Nun einige Zahlen aus dem Werk Kropotkins: Die Eroberung des Brotes (Wohlstand
für alle)[14].
In Amerika wird bei extensiver Kultur von 100 Menschen in einigen Monaten soviel
Getreide geschafft, daß 10.000 Menschen davon ein ganzes Jahr leben können, 100
Menschen fabrizieren heute in einem Jahre soviel Stoffe, daß sich 10.000
Menschen zwei Jahre damit kleiden können, 100 Menschen fördern in einem Jahr
soviel /12/ Heizmaterial, wie zur Erwärmung für 10.000 Familien-Wohnungen selbst
bei kältester Zeit ein Jahr lang ausreicht.
Nach dem Bodenertrag berechnet muß der Mensch 30 Stunden arbeiten, um genügend
Brot für l Jahr, 30 Stunden, um Fleisch, Gemüse und alle Luxusfrüchte für l
Jahr, 50 Stunden um Bekleidung für l Jahr, 160 Stunden, um eine menschenwürdige
Behausung für seine Familie zu haben. Aus letzterer Zahl ersieht man deutlich,
wie hohe Tribute wir dem privilegierten Ausbeutertum entrichten müssen, mußte
doch vor dem Kriege jeder Arbeiter ungefähr 75 – 100 Tagelöhne für seine
menschenunwürdige Wohngelegenheit aufwenden. Die Differenz zwischen 160 Stunden
und 100 Tagen bedeutet den Raub der Kapitalistenklasse an unserer Arbeit, bloß
für die Wohngelegenheit.
Für eine fünfköpfige Familie würde das pro Jahr bedeuten: 60 halbe Tage a 5
Stunden für alle landwirtschaftlichen Produkte, 40 halbe Tage a 5 Stunden für
Behausung, 50 halbe Tage a 5 Stunden für Bekleidung. Somit bleibt ein halbes
Jahr übrig für freie Betätigung und für Beteiligung an den gesellschaftlichen
Angelegenheiten.
Es muß aber auch das Bestreben der sozialistischen Gesellschaft sein, die starre
Arbeitsteilung des kapitalistischen Systems nach Möglichkeit aufzuheben, weil
durch diese die Menschen dazu verurteilt werden, ganz mechanisch einseitige
Teilarbeit zu verrichten, wodurch der Mensch intellektuell leidet, indem er zum
Teil einer Maschine herabgewürdigt wird. Gleichzeitig muß das ungesunde Wohnen
in den Großstädten abgebaut werden. Diese werden lediglich als Sammelpunkte für
großindustrielle Tätigkeit, für geselligen und gesellschaftlichen Verkehr
bestehen bleiben. Soweit wie möglich wird man deshalb die industrielle
Produktion ebenfalls auf das ganze Land verteilen, um der ganzen Bevölkerung
Gelegenheit zu geben, neben der landwirtschaftlichen Betätigung auch
handwerklich oder industriell tätig zu sein. Wenngleich ein großer Teil der
industriellen Fabrikation und Produktion nur in Großbetrieben erfolgen kann (wie
Bergbau, Hüttenwesen, elektrische Kraftwerke, Gaswerke usw.), so bleiben doch
noch genügend viele Betriebsarten übrig, die über das Land dezentralisiert
werden können und dabei sogar produktiver arbeiten, so z. B. Webereien,
Spinnerein, Zuckerfabriken, Brennereien und tausend andere. Diese Kleinfabriken
werden möglichst in der Nähe der Rohmaterialgewinnung eingerichtet, die bequeme
elektrische Kraftübertragung in der heutigen Zeit und die Nutzbarmachung des
Kleinmotors ermöglichen ein modernes Arbeiten, an jeder Stelle. Die umliegenden
Bewohner können diejenige Zeit, wo landwirtschaftliche Arbeit unmöglich ist, für
industrielle Betätigung ausnützen, die Verbrauchsstellen können ihren Bedarf aus
nächster Nähe eindecken.
Auf diese Weise ist es möglich, landwirtschaftliche und industrielle Tätigkeit
zu verbinden, jede Klassenscheidung unmöglich zu machen, die Arbeitszeit auf ein
Minimum zu reduzieren, gesunde Wohnungen und Fabrikationsstätten zu haben und
Körper und Geist stets gleichmäßig zu betätigen. Nur dadurch wird jedes
Individium zur Vielseitigkeit und damit zur höchsten Intelligenz entwickelt
werden können. Das Ziel des Sozialismus muß sein, daß jedes Individuum in den
Besitz aller wissenschaftlichen Kenntnisse und handwerksmäßigen Fertigkeiten
gelangt, daß jeder Mensch gleichzeitig Feldarbeiter und Techniker ist, daß jede
Gruppe möglichst für eigenen Bedarf arbeitet, daß jedes Volk sein eigener
Landwirt und Fabrikant wird.
/13/ Viele werden sagen, daß unsere Ideen märchenhaft klingen, aber das scheint
nur so. Wenn wir uns die Naturgeschichte ansehen, finden wir überall den
Kommunismus der gegenseitigen freien Vereinbarung, mit dem freien Genußrecht und
der Bedarfswirtschaft. So bei den Bienen, Ameisen und Termiten, bei den
sogenannten »Wilden«, Eskimos, Indianern usw. Dort kennt man keinen
Eigentumsbegriff, es findet kein Maßstab statt bei Zuteilung der
Lebensbedürfnisse nach geleisteter Arbeit. Alle Mitglieder nehmen freiwillig
teil an den Arbeiten der Gemeinschaft. Es liegt auch gar kein Anlaß zu der
Befürchtung vor, daß jemand sich auf Kosten der anderen zuviel Nahrungsmittel,
Bekleidungsgegenstände oder dergl. verschaffen würde, denn wenn genügend da ist,
nimmt kein Vernünftiger mehr, wie er gebrauchen kann. Wir sehen das am besten am
Wasser, dessen Verbrauch heute unbeschränkt ist, weil genug da ist. Und doch
genügt in Notzeiten, bei Dürre oder Anlagedefekten usw. ein Appell an die
Allgemeinheit, um den Konsum genügend einzuschränken.
So wird es in der freien kommunistischen Gesellschaft in jeder Beziehung sein.
Ein Aufruf, die oder die Tätigkeit für das Allgemeinwohl, herbeizuführen, wird
genügen, um den Zweck zu erreichen. Schon heute können wir an tausenden von
Erscheinungen sehen, daß letzten Endes das Allgemeinwohl, welches ja am besten
das eigene Wohl gewährleistet, für die Handlungen der meisten Menschen maßgebend
ist. Kropotkin hat in seinem grundlegenden Werke »Gegenseitige Hilfe in der
Tier- und Menschenwelt«[15] nachgewiesen, daß die Solidarität, die gegenseitige
Hilfe der Triebfaktor der Höherentwicklung ist, und daß diese Solidarität tief
in der menschlichen Natur begründet ist.
Nur so ist es auch zu erklären, daß selbst in der heutigen schlechten
Gesellschaftsordnung jeder Appell an die Allgemeininteressen, mag noch so großer
Schwindel dahinterstecken, Erfolg hat. Wir brauchen nur an die großartigen
Gründungen auf der Grundlage der freien Betätigung im Interesse des
Allgemeinwohls zu denken, wie Rotes Kreuz, Gesellschaft zur Rettung
Schiffbrüchiger u.a., wo kein materieller Gewinn für die direkt Beteiligten in
Aussicht steht. Ja, wenn wir gesehen und erlebt haben, wie in dem Weltkrieg
Millionen für ein angebliches, aber unwahres Allgemeinwohl ihr Leben aufs Spiel
setzten, so haben wir die Gewißheit, daß in der neuen sozialistischen
Gesellschaft der Freiheit und des Wohlstandes für Alle jedermann freiwillig die
kleinen Ofper für das Allgemeinwohl bringen wird. In der Übergangszeit ist schon
an sich ein gelinder Zwang vorhanden, weil wegen der Knappheit die Lebensmittel
und Bedarfsgegenstände rationiert sind; wer nun in dieser Zeit des Mangels
Sabotage treibt, wird keine oder weniger Waren zugeteilt erhalten; dieser
gelinde Zwang genügt vollkommen. Ebenso wird man die Lebensmittelschieber am
besten durch Wegnahme der Vorräte und Setzen auf halbe oder Viertelrationen
strafen. Später, wenn alles in genügender Menge vorhanden ist, und wenn Schule,
Presse und Öffentlichkeit die Menschen mit der freien Gesellschaft vertraut
gemacht haben, wenn das Geld als Bereicherungsmittel verschwunden sein wird, und
damit die Ursache der meisten schlechten Handlungen und Verbrechen, wird kein
Zwang mehr notwendig sein. Wenn erst mal das öffentliche Leben, vor allem die
Presse von der Lüge und Aftermoral der kapitalistischen Wirtschaftweise befreit
sein wird, und wenn eine freie Schule nur kurze Zeit wirkt, wird eine völlig
andere Moral Platz greifen. Auch die Befürchtung, es würde viele Faule geben,
die die Fleißigen benachteiligen, ist unbegründet. Der Arbeitstrieb ist tief in
der menschlichen Natur begründet. Man kann dies an dem Spiel der Kinder sehen,
ebenso an der Tatsache, daß fast alle Menschen nach Beendigung ihrer Fron in der
kapitalistischen Ausbeutung zu Hause mit Lust und Liebe für sich weiter tätig
sind, sei es, daß sie Hausarbeiten verrichten, schnitzen, bauen, malen,
musizieren oder gute Bücher lesen. /14/ Die größte Strafe in Gefängnissen und
Zuchthäusern ist die »Arbeitsentziehung«!
Nur die jetzige, schmutzige, ungesunde, zu lange, erzwungene Arbeit im Interesse
von anderen Nichtstuern verkümmert den natürlichen Arbeitstrieb des Menschen und
erzeugt die Faulheit. Mit der Befreiung der Arbeit wird auch diese soziale
Krankheit des kapitalistischen Systems verschwinden und mit ihr die daraus
hervorgehenden Schäden und Verbrechen.
Das Geld wird in der Übergangszeit als Tauschmittel, aber entkleidet seiner
Eigenschaften als Bereicherungsmittel, beibehalten werden müssen. Wann und wie
später die völlige Aufhebung des Geldes erfolgt, muß die Entwicklung lehren.
Nach den Grundsätzen des Syndikalismus könnten die verschiedensten
Wirtschaftssystems nebeneinander bestehen, es würde sich dann bald
herausstellen, welches als bestes siegreich bliebe. In Bayern wurde von
Landauer[16] und Neurath[17] dies auch angestrebt.
So erweist sich der Syndikalismus als einfach und natürlich in seinem Aufbau. Er
ist tolerant gegenüber anderen sozialistischen Ideen, er garantiert eine
wirkliche Klassenlosigkeit, eine dauernde Eigentumslosigkeit und
Herrschaftslosigkeit, während der Staatssozialismus die Lohnarbeit und ein
Staatsrentensystem aufrecht erhalten müßte, ebenso uns unter die Beherrschung
durch eine Beamtenhierarchie zwingen würde. Die Staatskommunisten sind sich im
Ziel einig mit Regierungs-Sozialisten[18] und Unabhängigen[19]. Sie
unterscheiden sich nur im Weg und im Tempo, wie man aus der Presse und
Literatur, ebenso bei Diskussionen feststellen kann. Auch die Broschüre von
Julian Borchardt: »Der kommunistische Aufbau«[20] beweist dies klar.
Wir unterscheiden uns auch im Weg von allen Parteien und den Zentralverbänden
indem wir prinzipiell den Weg des Verhandeins ablehnen und auch nicht daran
glauben, daß man die Arbeiterräte innerhalb der jetzigen kapitalistischen
Wirtschaft nach und nach vorwärts entwickeln könne, bis sie dann schließlich im
Einvernehmen mit Regierung und Unternehmertum den Sozialismus durchführen. Weil
wir das nicht glauben, müssen wir es ablehnen, an den »Räte-Institutionen im
Sinne der Regierung und Nationalversammlung« teilzunehmen, während auch die
Kommunistische Partei wiederum den Irrweg dieses Schein-Rätesystems geht. Für
uns gibt es nach wie vor nur einen Weg: Die Anwendung der wirtschaftlichen
Machtmittel, die direkte Aktion! Und mit Erstaunen und mit Freude sehen wir, daß
der Glaube an den Sieg der roten Aktion alle Geister ergreifen, daß der Glaube
an den Sieg der rohen Gewalt schwindet; einzeln und in Gruppen stoßen die
intelligenteren Arbeiter zu uns. Das gibt uns die Gewißheit, daß sich die
Arbeiterschaft nicht mit einer Gesellschaftsform abspeisen lassen wird, die
unter dem Namen des Sozialismus eine etwas geänderte Form der Ausbeutung
aufrecht hält, sondern daß das Proletariat sich schließlich restlos auf den
Boden des Syndikalismus stellen und nicht eher ruhen wird, bis es den wahren
Sozialismus durchgeführt hat, der in der Garaitierung der geistigen Freiheit und
des materiellen Wohlstandes seinen Ausdruck findet. Wir brauchen auch nicht zu
befürchten, daß der Weg zu unserem Ziel so lang sein könnte, daß wir dasselbe
nicht mehr erreichen. Mit Riesenschritten rast das Ungeheuer Kapitalismus seinem
Untergang entgegen. Immer klarer wird das Bild der Gegenwart und immer leichter
das Erkennen der Notwendigkeiten für das Proletariat. Wir dürfen uns durch all
die tausend /15/ kleinlichen Tagesgeschehnisse nicht wankend machen lassen an
dem Glauben an unsere einfache, reine und schöne Zukunft. Es ist nicht
notwendig, die gesamte Arbeiterschaft in unseren Organisationen zu haben, es
genügt, eine überzeugte und charakterstarke Minorität als Hirn und Hern der
Bewegung zusammenzufassen. Wenn dann unsere Ziele klar und unsere Ideen gut und
schön sind, dann werden uns die Massen folgen. Wir müssen aber einen größeren
Teil der intelligenten Arbeiterschaft in Stadt und Land zu revolutionären
Gewerkschaften auf unserem Boden organisieren. Und das muß uns schnell gelingen!
Es gilt für uns alle, uns völlig frei zu machen und von allen alten Anschauungen
und Vorurteilen, mit Kühnheit und heiliger Begeisterung den Sozialismus zu
wollen. Und aus dem vereinten Wollen entspringt die Tat! Der Sozialismus ist
Geist und der Syndikalismus ist die Tat. Nur selbstloses Beispiel und edles Tun
können uns retten, vor dem Untergang und hinaufführen zu den Höhen einer reinen
und glücklichen Zukunft!
Beherzigen wir die Worte Mackays in seinem »Sturm«:
Was zögert Ihr, ich will Euch alles geben,
Glück und Gerechtigkeit, Frieden und Leben!
Nur wollt! Ruft mich und morgen bin ich da.
Was habt Ihr zu verlieren? Ich bin nah
Urid stehe wartend schon! Seid Ihr bewehrt?
Ist Euer Herz gestählt? Gezückt das Schwert?
Tod oder Leben gilt es zu gewinnen,
Was laßt Ihr nutzlos Tag auf Tag verrinnen?
Tot ist das Leben, das bis jetzt Euch brach,
Und Leben ist das Glück, das ich versprach!
Doch eh'Ihr nicht die fluchbeladene Welt,
Die Euch betrog, bis auf den Grund gefällt,
Kann ich nicht kommen.
Hört Ihr, wie sie tollt?
Indessen Ihr verschmachtet!
Auf und wollt!
Franz Barwich.
[1] Franz Barwich, Der kommunistische Aufbau des Syndikalismus,
Berlin 1922 (Verlag Der Syndikalist); der hier wiedergegebene Text orientiert
sich an dem Neudruck des MaD-Verlags (jetzt Edition Nautilus), Hamburg 1973. Er
erschien auch in F. Barwich/ E. Gerlach/ A. Lehning/ R. Rocker/ H. Rüdiger,
Arbeiterselbstverwaltung – Räte – Syndikalismus, Berlin/W 1973 (Karin Kramer).
Da das Original nicht vorlag, beziehen sich die eingefügten /Seitenzahlen/ auf
die Ausgabe Hamburg 1973: die gesperrten Hervorhebungen wurden aus der Ausgabe
Berlin/W übernommen.
Im Unterschied zur Vorlage werden Organisationsnamen und wörtliche Zitate
kursiv, Eigennamen mit Kapitälchen und Zeitungs- und Buchtitel fett
ausgezeichnet. Sämtliche Fußnoten bis auf eine stammen vom Bearbeiter.
Offensichtliche Druckfehler wurden stillschweigend korrigiert.
[2] gemeint ist die (Mehrheits-)Sozialdemokratische Partei Deutschlands (MSPD),
der (inoffizielle) Name der SPD-Mehrheit nach der Parteispaltung 1917.
[3] gemeint ist die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD),
die 1917 von den Kriegsgegnern in der alten SPD gegründet wurde, nachdem die
Parteimehrheit die Opposition aus der Organisation herausgedrängt hatte. 1920
vereinigte sich der 'linke' Flügel mit der KPD (Spartakusbund), während die
Rest-USPD 1922 mit der MSPD zusammenging.
[4] Siehe etwa Karl Kautsky, Richtlinien für ein sozialistisches
Aktionsprogramm, Berlin 1919 (ohne Verlagsangabe), S. 9; 12
Karl Kautsky (1854 – 1938), führender Theoretiker und Marx-Interpret der
deutschen wie internationalen Sozialdemokratie bis zum 1. Weltkrieg; 1917 bis
1922 USPD, dann wieder SPD.
[5] gemeint sind vor allem die im Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts-Bund (ADGB)
– bis 1919 Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands – organisierten,
der Sozialdemokratie nahestehenden Gewerkschaften.
[6] Carl Ballod (eigentlich Karlis Balodis, 1864 – 1931); geboren in Litauen;
bis 1919 Professor für Statistik in Berlin, gehörte der vom Rat der
Volksbeauftragten im Dezember 1918 eingerichteten Sozialisierungskommission
(unter dem Vorsitz von Kautsky) bis zu ihrer Selbstauflösung Anfang April 1919
an; stand der USPD nahe. Seit 1919 Professor an der Universität von Litauen in
Riga, 1929 – 1931 Abgeordneter des Litauischen Parlaments für die Demokratische
Union.
[7] »Die Freiheit, Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands«; erschien als Tageszeitung von 1918 bis 1922.
[8] Ansbert Vorreiter, Atlanticus oder Spartakus? Deutschlands Zukunft.
Berlin-Nikolassee 1919 (Selbstverlag).
[9] Der US-Ingenieur Frederick Winslow Taylor entwickelte im Jahrzehnt vor dem
1. Weltkrieg ein »System der wissenschaftlichen Betriebsführung«, das der
russische Sozialdemokrat W. I. Uljanow (besser bekannt unter seinem Pseudonym
Lenin) zutreffend als »Versklavung des Menschen durch die Maschine« und ein
»'wissenschaftliches' System zur Schweißauspressung« charakterisierte (siehe
Lenin Werke, Bd. 20, S. 145 – 147 & Lenin Werke, Bd. 18, S. 588 – 589).
[10] Carl Ballod, Der sozialistische Zukunftsstaat. Produktion und Konsum im
Sozialstaat, 3. neubearb. Aufl., Stuttgart 1920 (J. H. W. Dietz) – die erste
Auflage erschien anonym 1898.
[11] Zentralorgan der SPD, erschien seit 1891 in Berlin.
[12] Peter Kropotkin, Landwirtschaft, Industrie und Handwerk oder Die
Vereinigung von Industrie und Landwirtschaft, von geistiger und körperlicher
Arbeit. Berlin 1921 (»Der Syndikalist«, Fritz Kater) – erweiterter Reprint mit
einem Vor- und Nachwort von Colin Ward, Berlin/W 1976 (Karin Kramer)
[13] Kropotkin, Landwirtschaft, Industrie und Handwerk, S. 21 [Anm. von F.
Barwich]
[14] Peter Kropotkin, Die Eroberung des Brotes. Wohlstand für alle, Bern 1989 (Anares)
– die erste Auflage erschien 1892.
[15] Peter Kropotkin, Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt,
Frankfurt/M – Berlin/W – Wien 1975 (Ullstein) – die erste deutsche Ausgabe
erschien Leipzig 1908.
[16] Gustav Landauer (1870 – 1919), wichtiger Theroretiker und Aktivist des
Anarchismus in Deutschland vor dem 1. Weltkrieg; in der Münchner Räterepublik
von 1919 war er Beauftragter für Volksaufklärung; er wurde am 2. Mai 1919 von
Freikorps-Söldnern in München-Stadelheim ermordet.
[17] Otto Neurath (1882 – 1945), österreichischer Philosoph und Ökonom; in der
Münchner Räterepublik von 1919 war er Präsident des Zentralwirtschaftsamtes.
[18] gemeint ist die MSPD.
[19] gemeint ist die USPD.
[20] Julian Borchardt, Der kommunistische Aufbau, Berlin 1919 (Lichtstrahlen).
Julian Borchardt, (1868 – 1932), 1911 – 1913 Abgeordneter des Preußischen
Landtages für die SPD, seit 1913 Herausgeber der Zeitschrift »Lichtstrahlen«
(Berlin 1913 – 1921); 1914 Kriegsgegner; zusammen mit den Bremer Linksradikalen
1915 Mitbegründer der Internationalen Sozialisten Deutschlands (ISD). Seit
Dezember 1918 parteiloser Sozialist.
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