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CNT-AIT (1936)
Das Konzept des libertären Kommunismus
Mit Ihren mehr als 500 000 Mitgliedern war die anarchosyndikalistische
Gewerkschaft CNT bisher bedeutenster Ausdruck der libertären Idee. In einer
geschichtlich reifen Situation schien es möglich das Versprechen einer
herrschaftsfreien Gesellschaft unmittelbar einzulösen. Ist die Niederlage des
antifaschistischen Lagers nur militärisch als Folge der schlechteren Ausrüstung
und der mangelnden Ausbildung zu erklären? Oder waren theoretische Konzepte
und/oder politische Umsetzung verantwortlich für das Scheitern der Utopie? Um
zur Klärung beizutragen veröffentlichen wir das „Revolutionsprogramm des
Gewerkschaftskongresses von 1936.
Wir merken an, das wir uns von Teilen der Ausführungen, in der es um das
Schaffen „schöner Menschen“ geht distanzieren. Diese Ausführungen sind nur aus
ihrer Zeit heraus nachzuvollziehen und werden von uns nicht geteilt. Wir
betrachten das Konzept des libertären Kommunismus als historischen
Handlungsplan, der auch heute noch viele Gedanken enthält, die es bei der von
uns angestrebten sozialen Revolution umzusetzen gilt.
Auf dem Kongreß der CNT (Spanien) in Zaragoza vom 1.-15. Mai 1936 wurde der
nachfolgende Text als Rahmenprogramm verabschiedet.
Konzept des Libertären Kommunismus
Allen Delegationen, die an diesem Kongreß teilnehmen, ist allgemein bekannt, daß
im Schoße der C.N.T. zwei klar ausgeprägte Ansätze bestehen, den Sinn des Lebens
zu deuten und die Grundlagen für die ökonomische Struktur nach der Revolution
zulegen. Diese verschiedenartigen Konzeptionen sind ohne Zweifel auf
theoretische und philosophische Ansichten zurückzuführen, die, wenn sie die
Militanten erfassen, zwei feststehende Denkrichtungen hervorbringen. Beide
Richtungen versuchen, tonangebend zu werden. Es gäbe keine Probleme, wenn nicht
das natürliche Streben nach Hegemonie dem Vorhandensein dieser zwei Tendenzen
innerhalb der Konföderation widersprechen würde.
Aber dieses unbeugsame und beständige geistige Streben muß sich mit neuer Kraft
in unseren Reihen erst erweisen. Dieser Prozeß bringt ernsthafte Gefahren für
die Einheit, die wir gerade erwähnt haben, mit sich. Um dem historisch
bedeutungsvollen Moment gerecht zu werden, mußte deshalb mit der nötigen Ruhe
und Gewissenhaftigkeit eine Formel gefunden werden, die die Ansichten und das
Gedankengut beider Richtungen innerhalb der Konföderation und damit die
Grundlage für ein neues Leben zum Ausdruck bringen konnte.
Wir erklären also:
Erstens: Als wir die Grundpositionen für die Abfassung dieser Denkschrift
festlegten, haben wir uns darum bemüht, sie mit strengem Sinn für Harmonie und
Ausgewogenheit auf den folgenden beiden Pfeilern zu begründen: Individuum und
Gewerkschaft. Wir waren bestrebt, beide Richtungen und Konzeptionen gleichzeitig
zu entwickeln.
Zweitens: Als Gegenstück zur ausdrücklichen Garantie der Harmonie weisen wir auf
die darin enthaltene Anerkennung der individuellen Souveränität hin. Von dieser
Voraussetzung aus — bei der die Freiheit gegen alle Beeinträchtigungen
verteidigt wird und oberstes Prinzip bleibt — müssen wir die verschiedenen
Einrichtungen bestimmen, die im Leben unter Berücksichtigung der gegebenen
Umstande den Bedarf regeln sollen. Wenn aller sozialer Reichtum
vergesellschaftet und der Besitz derArbeitsinstrumente in einer Form garantiert
ist, die allen die gleiche Möglichkeit zu produzieren verschafft, eine
Möglichkeit, die sich in eine Pflicht verwandelt, um Überhaupt eine Anwartschaft
auf das dem Selbsterhaltungstrieb entsprechende Recht zum Konsumieren zu
erhalten — wenn dieser Punkt erreicht ist, dann tritt das anarchistische Prinzip
der freien Übereinkunft auf den Plan, um zwischen den Menschen die Tragweite,
die Dauer und die Verwirklichung einer solchen Übereinkunft zu regeln. So muß
das Individuum als juristische Persönlichkeit und als Grundeinheit aller
späteren Organisationsformen, die die Freiheit und Macht der Föderation noch
hervorbringen werden, Rahmen und Nomenklatur der neuen Gesellschaft der Zukunft
bestimmen. Wir alle müssen bedenken, daß es absurd wäre, die Gesellschaft der
Zukunft mit mathematischer Präzision konstruieren zu wollen, denn oftmals
besteht zwischen Theorie und Praxis ein wahrer Abgrund. Deshalb verfallen wir
nicht dem Irrtum der Politiker, die endgültige Lösungen für alle Probleme
präsentieren, Lösungen, die dann in der Praxis mit Getöse in sich
zusammenbrechen.
Die Politiker scheitern, weil sie, ohne die Entwicklung des menschlichen Lebens
selbst zu berücksichtigen, glauben, daß eine einzige Methode für alle Zeiten
gelten könne. Diesen Fehler werden wir nicht begehen, die wir über eine
entwickeltere Sicht der sozialen Probleme verfügen. Wenn wir die
Leitvorstellungen des freiheitlichen Kommunismus entwerfen, präsentieren wir ihn
nicht als ein geschlossenes Programm, das keine Änderungen zuläßt. Diese werden
logischerweise erforderlich sein, und die Notwendigkeiten und Erfahrungen selbst
werden die entsprechenden Anregungen dazu geben. Obgleich es den Anschein haben
könnte, als ob wir uns damit etwas außerhalb des uns vom Kongreß erteilten
Mandats bewegen, halten wir es für erforderlich, ein wenig näher auf die
Einzelheiten unseres Revolutionskonzepts einzugehen und die wichtigsten
Prämissen aufzuzeigen, die unserer Meinung nach die Revolution bestimmen können
und müssen. Schon zu lange hat man die Redensart geglaubt, derzufolge die
Revolution nichts anderes als eine gewalttätige Episode sei, die mit dem
kapitalistischen Regime aufräume. In Wirklichkeit aber ist die Revolution ein
Phänomen, das einem Zustand der Dinge Bahn bricht, der schon seit langem im
kollektiven Bewußtsein verankert war. Die Revolution beginnt deshalb in dem
Augenblick, in dem nach Feststellung des tatsächlich vorhandenen Unterschieds
zwischen der sozialen Wirklichkeit und dem individuellen Bewußtsein das letztere
sich, sei es nun aus Instinkt oder nach einer Analyse, gezwungen sieht, gegen
die erstere vorzugehen. Kurz gesagt, beginnt deshalb die Revolution unserer
Meinung nach folgendermaßen:
Erstens: Als psychologisches Phänomen, das gegen einen bestimmten Zustand der
Dinge gerichtet ist, der im Widerspruch zu den Wünschen und Bedürfnissen des
einzelnen Menschen steht..
Zweitens: Als soziale Manifestation, wenn sie mit den Gegebenheiten des
kapitalistischen Staates in dem Augenblick zusammenstößt, da sich obige Reaktion
in der Gemeinschaft durchsetzt.
Drittens: Als Organisation, weil sie spürt, daß ein Machtinstrument geschaffen
werden muß, das in der Lage ist, die Verwirklichung ihres biologischen Zieles
durchzusetzen.
Folgende Faktoren der äußeren Ordnung verdienen besonders herausgestellt zu
werden:
a) Verschwinden der Ethik, die als Grundlage des kapitalistischen Regimes dient.
b) Bankrott dieses Regimes auf wirtschaftlichem Gebiet.
c) Scheitern der politischen Form des kapitalistischen Regimes, sowohl was die
Demokratie als auch was seine letzte Ausformung, den Staatskapitalismus, angeht,
der nichts anderes als der autoritäre Kommunismus ist.
Wenn alle diese Faktoren an einem Punkt und zu einem bestimmten Zeitpunkt
zusammentreffen, dann ist das der geeignete Moment für das gewaltsame Ereignis,
das die Periode tatsächlicher revolutionärer Entwicklung einleiten wird. Da wir
glauben, daß wir gerade in diesem Augenblick leben, in. dem alle genannten
Faktoren erfolgversprechend Zusammentreffen, haben wir es für notwendig
gehalten, eine Denkschrift abzufassen, die in allgemeinen Linien die ersten
Stützen jenes sozialen Gebäudes vorzeichnet, in dessen Schutz wir in Zukunft
leben werden.
Konstruktive Vorstellungen von der Revolution
Wir sind der Meinung, daß unsere Revolution sich auf der Grundlage strikter
Gleichheit organisieren muß. Die Revolution kann sich weder auf gegenseitige
Hilfe noch auf die Solidarität oder auf den archaischen Begriff der
Nächstenliebe gründen. Auf jeden Fall müssen diese drei Formeln, die im Lauf der
Zeit die Unzulänglichkeit rudimentärer Gesellschaftstypen verdecken sollten, in
denen der einzelne willkürlichen Rechtsauslegungen ausgeliefert war, einen neuen
Inhalt bekommen und in Gestalt von neuen Normen für das menschliche
Zusammenleben genau beschrieben werden. Im freiheitlichen Kommunismus liegt
bereits die deutlichste Interpretation vor, nämlich jedem menschlichen Wesen das
zu geben, was seine Bedürfnisse erfordern, ohne daß die Befriedigung derselben
andere Grenzen kennt als diejenigen, die sich aus den Erfordernissen der neu
entstandenen Wirtschaftsform ergeben. Wenn alle Wege, die nach Rom führen, den
Wanderer in die Ewige Stadt bringen, dann führen alle Formen der Arbeit und der
Güterverteilung, die sich von der Vorstellung einer egalitären Gesellschaft
leiten lassen, zur Verwirklichung von Gerechtigkeit und sozialer Harmonie.
Deshalb sind wir der Meinung, daß sich die Revolution auf die sozialen und
ethischen Prinzipien des freiheitlichen Kommunismus stützen muß.
Diese sind:
Erstens: Die Bedürfnisse jedes menschlichen Wesens zu befriedigen, ohne daß
diese Befriedigung anderen Beschränkungen unterliegt als denen, die mit der
Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zusammenhängen.
Zweitens: Von jedem Menschen entsprechend den Bedürfnissen der Gesellschaft den
größtmöglichen Einsatz seiner Kräfte zu verlangen, wobei auf die physische und
moralische Verfassung eines jeden Individuums Rücksicht genommen werden muß.
Die Organisation der neuen Gesellschaft nach der revolutionären Tat
Die ersten Maßnahmen der Revolution.
Wenn die gewaltsame Phase der Revolution beendet ist, werden für abgeschafft
erklärt: das Privateigentum, der Staat, das Autoritätsprinzip und folglich auch
die Klassen, die die Menschen in Ausbeuter und Ausgebeutete, Unterdrücker und
Unterdrückte teilen. Nachdem der Reichtum sozialisiert worden ist, werden die
bereits freien Organisationen der Produzenten die direkte Verwaltung der
Produktion und des Konsums übernehmen. Wenn in jeder Ortschaft die
freiheitlichen Kommunen begründet worden sind, werden wir den neuen sozialen
Mechanismus in Gang setzen. Die Produzenten eines jeden Wirtschaftszweigs oder
Berufs, die sich in den Gewerkschaften und am Arbeitsplatz zusammengeschlossen
haben, werden frei über die Form entscheiden, in der er organisiert sein soll.
Die freiheitliche Kommune wird all die Dinge übernehmen, die die Bourgeoisie
früher zurückgehalten hat, wie zum Beispiel Lebensmittel, Kleidung, Schuhe,
Rohstoffe, Werkzeuge etc. Diese Geräte sowie die Rohstoffe müssen in die
Verfügungsgewalt der Produzenten übergehen, damit diese sie direkt zum Nutzen
der Gemeinschaft verwalten können. In erster Linie werden sich die Kommunen um
ein Höchstmaß an Bequemlichkeit für alle Einwohner einer jeden Ortschaft bemühen
und die Hilfe für die Kranken und die Erziehung der Kinder sichern. In
Übereinstimmung mit dem grundlegenden Prinzip des freiheitlichen Kommunismus
werden, wie wir schon oben erwähnt haben, alle arbeitsfähigen Menschen ihre
freiwillige Pflicht zu erfüllen beginnen — die sich in ein echtes Recht
verwandeln wird, wenn der Mensch erst wirklich frei arbeitet — und entsprechend
ihren Kräften und Fähigkeiten ihren Beitrag zur Gemeinschaft leisten, während
andererseits die Kommune zur Befriedigung der Bedürfnisse ihrer Verpflichtung
nachkommen wird. Es ist deshalb schon jetzt notwendig, deutlich darauf
hinzuweisen, daß die ersten Zeiten der Revolution nicht leicht sein werden und
daß es notwendig sein wird, daß jeder äußerste Anstrengungen unternimmt und nur
soviel konsumiert, wie die Leistungsfähigkeit der Produktion erlaubt. Jede Phase
des Aufbaus erfordert Opfer sowie die individuelle und gemeinschaftliche
Bereitschaft zu Anstrengungen, die darauf gerichtet sind, die widrigen Umstände
zu überwinden und nicht Schwierigkeiten für die Aufbauarbeit jener Gesellschaft
zu schaffen, die wir im Einverständnis mit allen verwirklichen werden.
Plan für die Organisation der Produzenten.
Der Plan für die ökonomische Organisation wird sich, so vielfältig auch die
nationale Produktion sein mag, nach den strengsten Prinzipien einer sozialen
Wirtschaft richten — Prinzipien, die von den Produzenten direkt über die
verschiedenen Organe der Produktion bestimmt, in Generalversammlungen der
verschiedenen Organisationen verabschiedet und von diesen ständig kontrolliert
werden. Als Grundeinheit (am Arbeitsplatz, in der Gewerkschaft, in der Kommune,
in allen Lenkungsorganen der neuen Gesellschaft), als Ausgangspunkt und Eckstein
aller sozialen, wirtschaftlichen und moralischen Schöpfungen ist der Produzent,
das Individuum anzusehen. Als verbindendes Organ innerhalb der Kommune und am
Arbeitsplatz dient der Werks- und Fabrikrat, der mit den anderen Zentren der
Arbeit eng zusammenarbeitet. Als verbindende Einrichtung von Gewerkschaft zu
Gewerkschaft (Zusammenschluß der Produzenten) dienen die Räte für Statistik und
Produktion, die untereinander wieder Föderationen bilden, bis ein enges und
dauerhaftes Verbindungsnetz zwischen allen Produzenten der Iberischen
Konföderation hergestellt ist. Auf dem Lande ist die Ausgangsbasis der Produzent
in der Kommune, der zum Nutznießer aller natürlichen Reichtümer seines
politischen und geographischen Bezirks wird. Als verbindendes Organ dient der
Rat für Ackerbau, dem technisches Personal und Arbeiter der Vereinigungen
landwirtschaftlicher Produzenten angehören werden, die beauftragt sind, die
Intensivierung der Produktion dadurch zu fördern, daß sie die am besten für den
Anbau geeigneten Ackerflächen nach deren chemischer Zusammensetzung bestimmen.
Diese Räte für Ackerbau werden. ein entsprechendes Netz von Verbindungen
herstellen wie die Werks- und Fabrikräte sowie die Räte für Statistik und
Produktion und so die freie Föderation ergänzen, die die Kommune als politischer
Bezirk und geographische Unterteilung darstellt. Sowohl die Vereinigungen der
Produzenten aus der Industrie als auch die Vereinigungen der
landwirtschaftlichen Produzenten werden sich auf nationaler Ebene zu
Föderationen zusammenschließen — solange Spanien das einzige Land sein wird, das
seine soziale Umgestaltung verwirklicht hat -‚ wenn die, die durch den
jeweiligen Arbeitsprozeß selbst voneinander getrennt sind, das im Sinne einer
fruchtbaren Entwicklung der Wirtschaft für nützlich halten. In diesem Sinne
werden sich auch jene Verwaltungsorgane zusammenschließen, deren besondere
Merkmale einen Zusammenschluß nahelegen, um so die vernünftigen und notwendigen
Verbindungen zwischen allen freiheitlichen Kommunen Spaniens zu erleichtern.
Wir sind der Überzeugung, daß die neue Gesellschaft mit der Zeit jede Kommune
mit den für ihre Autonomie notwendigen landwirtschaftlichen und industriellen
Kräften versehen wird, und zwar entsprechend dem biologischen Lehrsatz,
demzufolge derjenige Mensch - in diesem Falle diejenige Kommune - am freiesten
ist, der von den anderen am wenigsten braucht.
Die freiheitlichen Kommunen und ihre Arbeitsweise
Unsere politische Revolution stützt sich auf folgende drei Pfeiler: Individuum,
Kommune und Föderation. Innerhalb eines Gesamtplans aller wirtschaftlichen
Aktivitäten, der die ganze Halbinsel erfassen soll, wird die Verwaltung absolut
kommunalen Charakter haben. Die Grundlage dieser Verwaltung wird folglich die
Kommune sein. Diese Kommunen werden autonom sein und auf regionaler und
nationaler Ebene Föderationen bilden, um Ziele von allgemeiner Bedeutung
verwirklichen zu können. Das Recht auf Autonomie schließt nicht die Pflicht aus,
im Interesse der Allgemeinheit liegende Beschlüsse zu erfüllen, die nicht nur
aus allgemeiner Wertschätzung gebilligt, sondern aus tiefer Einsicht akzeptiert
worden sind. Eine Kommune von Verbrauchern ohne freiwillige Beschränkung wird
sich also dazu bereit erklären, jene Normen von allgemeiner Gültigkeit zu
beachten, die nach einer freien Diskussion von der Mehrheit angenommen worden
sind. Dagegen können jene Gemeinschaften, die der Einbeziehung in den
Industrialisierungsprozeß Widerstand leisten und andere Arten des Zusammenlebens
beschließen, wie zum Beispiel die Naturisten oder die Nudisten, das Recht auf
eine autonome Verwaltung erhalten, die nicht den allgemeinen Kompromissen
verpflichtet zu sein braucht. Da diese Kommunen von Naturisten, Nudisten oder
andere Arten von Kommunen nicht all ihre Bedürfnisse befriedigen können, so
begrenzt diese auch sein mögen, können ihre zu den Kongressen der Iberischen
Konföderation der Autonomen Freiheitlichen Kommunen entsandten Delegierten
wirtschaftliche Übereinkünfte mit den übrigen agrarischen oder industriellen
Kommunen abschließen.
Wir empfehlen also:
Die Einrichtung der Kommune als politische und administrative Einheit.
Die Kommune wird autonom und mit den übrigen Kommunen föderiert sein.
Die Kommunen schließen sich nach Landschaften oder Regionen zusammen, wobei es
den einzelnen Kommunen überlassen bleibt, ihre geographischen Grenzen zu
bestimmen, wenn es zum Beispiel notwendig erscheint, kleine Ortschaften,
Siedlungen oder Weiler in einer einzigen Kommune zusammenzulegen. Die Gesamtheit
dieser Kommunen wird eine Iberische Konföderation der Autonomen Freiheitlichen
Kommunen bilden. Damit die Verteilung der Produktion funktioniert und damit sich
die Kommunen besser versorgen können, kann man zusätzliche Organisationen
errichten, die in dieser Richtung tätig werden. Zum Beispiel: einen Rat der
Konföderation für Produktion und Verteilung, der aus direkten Vertretern der
Nationalen Produzentenföderationen und des jährlichen Kongresses der Kommunen
besteht.
Aufgabe und innere Organisation der Kommune.
Die Kommune wird sich mit all dem zu befassen haben, was das Individuum
betrifft. Sie wird sich um alle Angelegenheiten kümmern müssen, die in
Zusammenhang mit der Verwaltung und Verschönerung der Ortschaft stehen. Sie wird
für die Unterbringung ihrer Bewohner sorgen müssen. Sie wird sich um die Artikel
und Produkte kümmern müssen, die ihr von den Gewerkschaften und
Produzentenvereinigungen geliefert worden sind.
Sie wird sich ebenso mit der Hygiene, der kommunalen Statistik, den kollektiven
Bedürfnissen, dem Unterricht, den Gesundheitseinrichtungen sowie der Erhaltung
und Vervollkommnung der örtlichen
Kommunikationsmöglichkeiten beschäftigen. Sie wird die Verbindungen zu den
anderen Kommunen organisieren und sich um die Förderung künstlerischer und
kultureller Aktivitäten bemühen. Um diese Aufgabe gut erfüllen zu können, wird
ein Rat der Kommune gewählt werden, dem die Vertreter der Räte für Ackerbau,
Gesundheit, Kultur, Verteilung sowie Produktion und Statistik angehören werden.
Das Wahlverfahren für die Räte der Kommune wird man unter Berücksichtigung der
unterschiedlichen Bevölkerungsdichte erarbeiten, wobei man berücksichtigen muß,
daß die Metropolen bei der Bildung von Föderationen der Kommunen nur langsam
politisch dezentralisiert werden.
Alle diese Institutionen werden keinen exekutiven oder bürokratischen Charakter
haben. Abgesehen von denen, die technische oder rein statistische Aufgaben
wahrnehmen, werden auch sie ihre Aufgabe als Produzenten erfüllen. Die
Mitglieder der einzelnen Institutionen versammeln sich erst gegen Ende des
Arbeitstages, um die Detailfragen zu diskutieren, die nicht der Zustimmung durch
die kommunalen Versammlungen bedürfen. Es werden so oft Versammlungen
abgehalten, wie es die Bedürfnisse der Kommune erfordern, und zwar entweder auf
Ersuchen der Mitglieder des Rates der Kommune oder auf Wunsch der Einwohner
einer jeden Kommune.
Gegenseitige Kontakte und Austausch der Produkte.
Wie schon erwähnt, ist unsere Organisation föderalistischer Art und sichert die
Freiheit des einzelnen innerhalb der Gruppe und innerhalb der Kommune, die der
Kommunen innerhalb der Föderation und die der Föderationen innerhalb der
Konföderationen. Wir kommen also vom Individuum zum Kollektiv und sichern so die
Rechte des einzelnen. Das Prinzip der Freiheit bleibt dabei unantastbar. Die
Bewohner einer Kommune werden untereinander die internen Probleme diskutieren:
Produktion, Konsum, Unterricht, Hygiene und was sonst noch für die soziale und
wirtschaftliche Entwicklung der Kommune erforderlich sein könnte. Wenn es sich
um Probleme handelt die einen ganzen Landstrich oder eine Provinz angehen, dann
müssen die Föderationen untereinander beraten. In den Versammlungen, die
letztere abhalten, werden alle Kommunen vertreten sein, deren Delegierte die
Argumente vorbringen werden, die zuvor in ihren Heimatkommunen gebilligt worden
sind. Wenn zum Beispiel Straßen gebaut werden sollen, die die Ortschaften eines
Landstriches miteinander verbinden, oder wenn es um Transportangelegenheiten
oder um den Austausch von Produkten zwischen landwirtschaftlich ausgerichteten
und industriell geprägten Landstrichen geht, dann ist es nur natürlich, wenn
alle Kommunen ihren Standpunkt darlegen, denn sie müssen ja auch alle ihren
Beitrag zu den Bauarbeiten leisten.
In Angelegenheiten regionalen Charakters wird es die Regionale Föderation sein,
die die Beschlüsse in die Praxis umsetzt. Diese Beschlüsse werden den souveränen
Willen aller Bewohner der Region zum Ausdruck bringen. Denn zur Willensbildung
kommt es zuerst beim Individuum, dann in der Kommune, dann in der Föderation und
schließlich in der Konföderation. Auf ganz ähnliche Art und Weise werden wir zu
einer Diskussion aller Probleme kommen, die die ganze Nation angehen, denn
unsere Einrichtungen werden sich untereinander immer mehr ergänzen. Die
nationale Organisation wird die internationalen Beziehungen regeln, indem sie
direkten Kontakt zum Proletariat der anderen Länder aufnimmt, und zwar mit Hilfe
der ihr zur Verfügung stehenden Organe, die, wie in unserem Falle, der
Internationalen Arbeiter-Assoziation angehören.
Um den Austausch der Produkte von Kommune zu Kommune zu sichern, setzen sich die
Räte der Kommune mit den regionalen Föderationen der Kommunen und mit dem Rat
der Konföderation für Produktion und Verteilung in Verbindung, wobei sie das
anfordern, was ihnen fehlt, und das anbieten, was sie im Überfluß haben. Durch
das Netz von Verbindungen zwischen den Kommunen und den Räten für Produktion und
Statistik, die durch die Nationalen Produzentenföderationen hergestellt werden,
ist das Problem bereits gelöst und vereinfacht.
Was die kommunale Seite der Frage betrifft, so werden Produzentenbescheinigungen
genügen, die von den Werks- und Fabrikräten ausgestellt sind und den Arbeitern
das Recht zum Erwerb dessen geben, was sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse
benötigen. Die Produzentenbescheinigung ist im Prinzip so etwas wie ein
Wechselbrief, die zwei Ausführungsbestimmungen unterworfen ist: Erstens, daß sie
nicht übertragbar ist, und zweitens, daß man ein Verfahren entwickelt, mit dem
auf der Bescheinigung der Wert der Arbeit in Arbeitstagen registriert wird und
der hier eingetragene Wert höchstens ein Jahr lang zum Erwerb von Produkten
berechtigen soll. Den nicht in den Arbeitsprozeß einbezogenen Teilen der
Bevölkerung werden die Gemeinderäte Verbrauchsbescheinigungen ausstellen.
Selbstverständlich kann man keine absolut gültige Norm aufstellen. Die Autonomie
der Kommunen muß respektiert werden, die, wenn sie es für angemessen halten, ein
anderes System des inneren Austausches einführen können, vorausgesetzt daß die
neuen Systeme auf keinen Fall die Interessen der anderen Kommunen verletzen.
Pflichten des Individuums gegenüber dem Kollektiv und Idee von der gerechten
Verteilung
Der freiheitliche Kommunismus ist unvereinbar mit jedem auf Strafe beruhenden
System, und folglich führt er auch zum Verschwinden des gegenwärtig herrschenden
Systems einer korrigierenden Justiz und mit ihm der Strafinstrumente
(Gefängnisse, Zuchthäuser etc.) .Dieser Bericht ist der Auffassung, daß unter
den gegenwärtigen Verhältnissen die sogenannten Delikte hauptsächlich soziale
Ursachen haben und wenn diese Ursachen verschwunden sind, im allgemeinen auch
das Delikt verschwindet.
Wir meinen also:
Erstens: Daß der Mensch nicht von Natur aus schlecht ist und daß die
Straffälligkeit die logische Folge der sozialen Ungerechtigkeit ist, in der wir
leben.
Zweitens: Daß, wenn man die Bedürfnisse des Menschen befriedigt und ihm eine
vernünftige und menschliche Erziehung gewährt, diese Ursachen verschwinden
müssen.
Darum glauben wir, daß ein Individuum, das seine Pflichten, sei es nun im
Bereich der Moral oder der Produktion, nicht erfüllt, vor den Volksversammlungen
zu erscheinen hat, die im Sinne sozialer Harmonie eine gerechte Lösung für die
Angelegenheit finden werden. Der freiheitliche Kommunismus wird also seine
„korrigierenden Maßnahmen“ der Medizin und der Pädagogik entnehmen, die über die
einzigen vorbeugenden Hilfsmittel verfügen, die die moderne Wissenschaft
anerkennen. Wenn irgendein Individuum als Opfer pathologischer Erscheinungen
gegen die Harmonie verstößt, die zwischen den Menschen herrschen soll, dann wird
die pädagogische Therapeutik sich darum bemühen, sein seelisches Gleichgewicht
wiederherzustellen und in ihm das moralische Gefühl für soziale
Verantwortlichkeit zu stärken, das durch sein ungesundes Erbe sich nicht hat
entwickeln können.
Die Familie und die Beziehungen zwischen den Geschlechtern
Man sollte nicht vergessen, daß die Familie der erste zivilisatorische Kern des
Menschengeschlechts gewesen ist und daß sie auf dem Gebiet der Kultur, der Moral
und des Gemeinschaftsgeistes Bewunderungswürdiges geleistet hat. Man sollte
nicht vergessen, dass sie sich auch innerhalb der Entwicklung von der Familie
zum Clan, vom Clan zum Stamm, vom Stamm zum Volk und vom Volk zur Nation
erhalten hat. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß die Familie noch lange Zeit
bestehen bleiben wird. Die Revolution darf nicht gewaltsam gegen die Familie
vorgehen, ausgenommen in solchen Fällen, in denen es sich um unharmonische Ehen
handelt, bei denen man das Recht auf Scheidung anerkennen und unterstützen muß.
So wie die erste Maßnahme des freiheitlichen Kommunismus darin besteht, die
wirtschaftliche Unabhängigkeit der Menschen ohne Unterschied der Geschlechter zu
sichern, so wird auch die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Mann und Frau
verschwinden, die aus Gründen wirt-schaftlicher Unterlegenheit im Kapitalismus
entstanden ist. Es ist also klar, daß die Geschlechter gleichberechtigt sein
werden, in ihren Rechten wie in ihren Pflichten.
Der freiheitliche Kommunismus proklamiert die freie Liebe, die nur durch den
Willen des Mannes und der Frau bestimmt wird, wobei den Kindern der Schutz durch
die Gemeinschaft garantiert wird und sie durch die Anwendung
biologisch-eugenischer Prinzipien vor menschlichen Verirrungen bewahrt bleiben.
Ebenso wird eine gute Sexualerziehung in der Schule auf eine Auswahl der Spezies
Mensch hinwirken, die in Übereinstimmung mit den Zielen der Eugenik erfolgt, so
daß sich die menschlichen Paare bewußt fortpflanzen und daran denken, gesunde
und schöne Kinder zu zeugen.
Für moralische Probleme, die die Liebe in eine freiheitliche kommunistische
Gesellschaft hineintragen kann und die z.B. in Eifersucht ihre Ursache haben
könnten, gibt es in der Gemeinschaft und in Freiheit nur zwei
Lösungsmöglichkeiten, damit die menschlichen und sexuellen Beziehungen sich
normal entwickeln. Für den, der Liebe mit Gewalt erzwingen will und sich dabei
wie ein Tier benimmt, wird es, wenn weder guter Rat noch der Respekt vor dem
Recht des einzelnen etwas auszurichten vermag, nur ein Mittel geben, nämlich die
Entfernung aus der Gemeinschaft. Für viele Krankheiten empfiehlt sich ein
Wasser- und Luftwechsel. Gegen die Liebeskrankheit, eine Krankheit, die sich in
Starrsinn und Blindheit verwandeln kann, wird sich ein Wechsel der Kommune
empfehlen, wobei der Kranke von dem Milieu entfernt wird, das ihn blind und
verrückt macht, obgleich nicht zu befürchten steht, daß es in einer Atmosphäre
sexueller Freiheit dazu kommen wird.
Die religiöse Frage
Die Religion, eine rein subjektive Erscheinung der menschlichen Existenz, wird
insoweit anerkannt werden, als sie sich auf das Heiligtum des individuellen
Gewissens beschränkt. Aber auf keinen Fall kann die Religion in der Form einer
öffentlichen Zurschaustellung oder eines moralischen und intellektuellen Zwanges
anerkannt werden. Es bleibt dem einzelnen freigestellt, wie viele moralische
Ideen er sich zu eigen machen will, doch alle Riten werden verschwinden.
Über die Pädagogik, die Kunst, die Wissenschaft und das freie Experimentieren.
Das Erziehungsproblem muß mit radikalen Mitteln gelöst werden. In erster Linie
muß das Analphabetentum energisch und systematisch bekämpft werden. Die Kultur
wird denen zurückgegeben werden, denen man sie geraubt hatte. Dies ist eine
Pflicht der Wiedergutmachung im Sinne der sozialen Gerechtigkeit, die die
Revolution erfüllen muß. So wie der Kapitalismus den gesellschaftlichen Reichtum
gehamstert hat, so haben die Städte Kultur und Erziehung monopolisiert. Den
materiellen Reichtum und die Kultur zurückzuerstatten, das sind die
wesentlichsten Ziele unserer Revolution. Wie das geschehen soll? Dadurch, daß im
materiellen Bereich der Kapitalismus enteignet wird und im moralischen Bereich
die Kultur denen vermittelt wird, denen sie fehlt.
Unsere erzieherische Arbeit muß sich folglich in zwei Etappen vollziehen. Wir
haben eine erzieherische Aufgabe, die wir unmittelbar nach der Revolution lösen
müssen, und eine allgemein menschliche Aufgabe, die erst im Rahmen der neuen
Gesellschaft zu erfüllen ist. Die unmittelbare erzieherische Aufgabe wird darin
bestehen, unter der analphabetischen Bevölkerung eine elementare Bildungsarbeit
zu organisieren, die zum Beispiel im Unterricht folgender Dinge bestehen könnte:
Lesen, Schreiben, Rechnen, Sport, Hygiene, Entwicklungs- und
Revolutionsgeschichte, theoretische Aufklärung über die Nichtexistenz Gottes
etc. Diese Aufgabe kann von einer großen Zahl gebildeter junger Leute als
freiwilliger Bildungsdienst für ein oder zwei Jahre übernommen werden, wobei sie
durch die Nationale Föderation für Erziehung entsprechend ausgebildet und
überwacht werden. Diese Institution wird unmittelbar nach der Proklamierung des
freiheitlichen Kommunismus die Leitung aller Lehr- und Bildungszentren
übernehmen und die Tauglichkeit der hauptberuflichen und freiwilligen Lehrer
über prüfen. Die Nationale Föderation für Erziehung wird sich von denjenigen
trennen, die intellektuell, vor al-lem aber moralisch nicht in der Lage sind,
sich den Erfordernissen einer freien Pädagogik anzupassen. Ebenso wird bei der
Auswahl der Lehrer für die Volksschule beziehungsweise die Höhere Schule allein
die in praktischer Arbeit bewiesene Fähigkeit entscheiden.
Der Unterricht, dessen pädagogische Aufgabe darin besteht, zu einer neuen
Menschlichkeit zu erziehen, wird frei, wissenschaftlich und für beide
Geschlechter in gleicher Weise zugänglich sein. Alle notwendigen Mittel werden
zur Verfügung gestellt werden, um sich in jedem nur möglichen Zweig der
menschlichen Produktivität und des menschlichen Wissens üben zu können. Der
Hygiene und der Kindererziehung wird Vorrang eingeräumt werden, wobei die Frau
dazu erzogen wird, schon in der Schule das Notwendige zu lernen, um Mutter sein
zu können. Ebenso wird ein Hauptaugenmerk auf die Sexualerziehung gelegt werden,
die die Grundlage für eine Verbesserung des Menschengeschlechts ist. Wir halten
es für die Hauptaufgabe der Pädagogik, die Heranbildung von Menschen mit
selbständigem Urteil zu fördern, wobei natürlich auch die Frauen gemeint sind.
Dazu wird es notwendig ein, daß der Lehrer alle Anlagen des Kindes mit dem Ziel
fördert, daß das Kind zur vollständigen Entwicklung aller seiner Fähigkeiten
gelangt.
In dem pädagogischen System, das der freiheitliche Kommunismus verwirklichen
wird, werden auf gar keinen Fall Bestrafungen oder Belohnungen Platz finden,
denn diese beiden Erscheinungen enthalten den Keim zur Entwicklung aller Formen
von Ungleichheit. [1]
Das Kino, der Rundfunk, die pädagogischen Hilfsmittel - Bücher, Bilder,
Projektionsapparate - werden ausgezeichnete und wirksame Dieenste bei einer
schnellen intellektuellen und moralischen Umgestaltung der gegenwärtigen
Generationen leisten und ebenso bei der Entwicklung der Persönlichkeit der
Kinder und Heranwachsenden von Nutzen sein, die im freiheitlichen Kommunismus
geboren werden und aufwachsen.
Ganz abgesehen vom rein erzieherischen Aspekt wird die freiheitliche
kommunistische Gesellschaft schon in den ersten Jahren allen Menschen das Recht
sichern, ihr Leben lang Zugang zu Wissenschaft, Kunst und Forschung zu erhalten,
soweit sich das mit den unabdingbaren Erfordernissen produktiver Arbeit
vereinbaren läßt. Erst solche geistige Betätigungen garantieren die Gesundheit
und das seelische Gleichgewicht der menschlichen Natur. Darum sind auch die
Produzenten in der freiheitlichen, kommunistischen Gesellschaft nicht in Hand-
und Kopfarbeiter aufgeteilt, sondern alle werden zugleich körperlich und geistig
arbeiten. Darüber hinaus wird der Zugang zu den Künsten und Wissenschaften frei
sein, denn die Zeit, die man auf sie verwendet, gehört dem Individuum und nicht
der Gemeinschaft, aus der sich der einzelne lösen kann, wenn er Lust dazu hat,
sobald er die Tagesarbeit, seine Aufgabe als Produzent erfüllt hat.
Es gibt Bedürfnisse geistiger Art, die als Parallelerscheinungen zu den
materiellen Bedürfnissen angesehen werden können und die sich um so mehr in
einer Gesellschaft bemerkbar machen, je mehr in ihr die materiellen Bedürfnisse
befriedigt werden und der Mensch als moralisch emanzipiert akzeptiert wird. So
wie die Entwicklung eine ununterbrochene Linie ist, wenn auch nicht immer eine
Gerade, so wird auch der einzelne immer Ehrgeiz haben, etwa den Wunsch, mehr zu
genießen, seine Eltern zu übertreffen, unter seinen Kollegen hervorzuragen, sich
selbst zu überwinden.
Alle diese Wünsche nach dem Übertreffen anderer, nach schöpferischer,
künstlerischer, wissenschaftlicher oder literarischer Tätigkeit und nach dem
Experimentieren kann eine Gesellschaft, die auf der freien Prüfung und der
Freiheit, alle Ausdrucksformen des menschlichen Lebens zu tolerieren, beruht,
unter keinerlei allgemeinen oder materiellen Zweckmäßigkeitserwägungen
unterdrücken; sie wird diese Bestrebungen nicht scheitern lassen, wie es heute
geschieht, sondern sie wird im Gegenteil fördern und pflegen, da sie weiß, daß
der Mensch nicht vom Brot allein lebt und daß die Menschheit unglücklich wäre,
müßte sie allein vom Brot leben. Es ist unlogisch zu glauben, daß die Menschen
in unserer neuen Gesellschaft nicht das Bedürfnis nach Zerstreuung hätten. In
den autonomen freiheitlichen Kommunen werden im Gegenteil Tage zur allgemeinen
Erholung bestimmt, wozu die Versammlungen symbolträchtige Tage aus der
Geschichte oder aus dem Naturablauf auswählen werden. Ebenso werden bestimmte
Stunden am Tage für Ausstellungen, Theateraufführungen, Filmvorführungen oder
Vorträge reserviert, die allen Freude und Zerstreuung bringen.
Verteidigung der Revolution
Wir räumen ein, daß es notwendig ist, die mit Hilfe der Revolution gewonnenen
Errungenschaften zu verteidigen. Weil wir annehmen, daß es in Spanien mehr
revolutionäre Möglichkeiten gibt als in irgendeinem der Nachbarländer, ist zu
vermuten, daß sich der Kapitalismus in diesen Ländern nicht damit abfindet, wenn
er sich der Interessen beraubt sieht, die er im Lauf der Zeit in Spanien
erworben hatte.
Solange also die soziale Revolution nicht in internationalem Maßstab gesiegt
hat, wird man die zur Verteidigung des neuen Regimes notwendigen Maßnahmen
ergreifen müssen, sei es gegen die Gefahr einer ausländischen kapitalistischen
Invasion, wie sie oben angedeutet wurde, sei es, um eine Konterrevolution im
eigenen Lande zu verhindern. Ein stehendes Heer bedeutet allerdings die größte
Gefahr für die Revolution, denn unter seinem Einfluß würde sich die Diktatur
herausbilden, die der Revolution unvermeidlich den Todesstoß geben würde. In den
Augenblicken des Kampfes, in denen die Streitkräfte des Staates ganz oder
teilweise mit dem Volk gemeinsame Sache machen, werden die organisierten
militärischen Kräfte auf den Straßen ihren Beitrag zum Sieg über die Bourgeoisie
leisten. Ist diese aber niedergeworfen, wird die Aufgabe der Streitkräfte
beendet sein. Das bewaffnete Volk wird die beste Garantie gegen jeden Versuch
bilden, das zerstörte kapitalistische Regime mit innerspanischen oder
ausländischen Kräften zu restaurieren. Es gibt Tausende von Arbeitern, die den
Militärdienst absolviert haben und die moderne militärische Technik kennen.
Jede Kommune muß über Waffen und Geräte für die Verteidigung verfügen, bis die
Revolution endgültig gesichert ist. Danach können sie dann in Arbeitsgeräte
umgewandelt werden. Wir empfehlen dringend die Unterhaltung von Flugzeugen,
Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Maschinengewehren und auch Flugabwehrkanonen,
denn in der Luft liegt die Hauptgefahr im Falle einer ausländischen Invasion.
Wenn dieser Augenblick gekommen ist, wird das Volk rasch mobilmachen, um sich
dem Feind entgegenzuwerfen. Sobald die Verteidigungsaufgabe erfüllt ist, werden
die Produzenten an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Diese Generalmobilmachung
wird alle Personen beiderlei Geschlechts erfassen, sofern sie für den Kampf
tauglich sind. Sie werden sich vorbereiten, um in diesem Kampf die vielfältigen
und notwendigen Aufgaben erfüllen zu können. Die Verteidigungskräfte der
Konföderation, die bis hinunter in den Produktionsstätten bereitstehen, werden
bei der Verteidigung der Errungenschaften der Revolution die wertvollsten
Hilfskräfte sein. Wir müssen große Anstrengungen unternehmen, um sie für die
Kämpfe auszubilden.
Wir erklären deshalb:
Erstens: Die Entwaffnung des Kapitalismus bedeutet die Aushändigung der Waffen
an die Kommunen, die mit ihrer Unterhaltung und Pflege beauftragt werden und
gleichzeitig dafür sorgen, daß die Verteidigungskräfte im nationalen Rahmen
wirksam organisiert werden.
Zweitens: Im internationalen Rahmen müssen wir unter den Proletariern aller
Länder intensive Propagandaanstrengungen unternehmen, damit diese Proletarier
energischen Protest einlegen und sich mit uns solidarisch erklären, wenn von
Seiten ihrer Regierungen irgendein Invasionsversuch unternommen wird. Zur
gleichen Zeit wird unsere Iberische Konföderation der Autonomen Freiheitlichen
Kommunen allen Ausgebeuteten der Welt moralische und materielle Hilfe leisten,
damit sie sich für immer aus der unerträglichen Vormundschaft des Kapitalismus
und des Staates befreien können.
Abschließende Bemerkungen
Unsere Arbeit ist hiermit beendet, aber bevor wir zum Schluß kommen, glauben
wir, in dieser historischen Stunde noch einmal dringend darauf hinweisen zu
müssen, daß diese Schrift nicht als etwas Endgültiges angesehen werden darf, das
als unverrückbare Norm für die Aufbauarbeit des revolutionären Proletariats
dienen soll.
Der Anspruch dieser Ausführungen ist wesentlich bescheidener. Wir würden es
begrüßen, wenn der Kongreß in ihnen die allgemeinen Linien eines ersten Planes
sehen würde, den die Arbeiter vollenden müssen: einen Ausgangspunkt für die
Menschheit auf dem Wege zu ihrer gänzlichen Befreiung.
Jeder, der sich klug, mutig und befähigt fühlt, möge unsere Arbeit
verbessern.
[1] Zu den Erziehungsvorstellungen vgl. auch die Versuche Francisco Ferrers, der
bereits 1901 in Barcelona eine freie Schule gegründet hat. Francisco Ferrer, Die
moderne Schule, Berlin 1923, Nachdruck mit einem neuen Vorwort, Karin Kramer
Vlg., Berlin 1970 + 1975
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