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Helge Döhring:
Entstehung und Rezeption von „Nationalismus und
Kultur“
„Rudolf Rockers Buch „Nationalismus und Kultur“ ist ein wichtiger Beitrag zur
politischen Philosophie, sowohl wegen seiner tiefschürfenden und höchst
informativen Analyse vieler berühmter Schriftsteller als auch wegen seiner
glänzenden Kritik der Staatsverehrung, des vorherrschenden und schädlichen
Aberglauben unserer Zeit.“ (Bertrand Russell).
Ursprünglich sollte dieses Werk 1936 in Berlin erscheinen, was durch die
Machtübernahme der Nationalsozialisten verhindert worden ist. Schon vor Beginn
des 1. Weltkrieges befasste Rocker sich mit den verschiedenen politischen,
sozialen, kulturellen und gewerkschaftlichen Fragen seiner Zeit, was sich in
zahlreichen schriftlichen Abhandlungen, sowie Vorträgen niederschlug. Seine
Gedanken kulminierten dann zusammengefasst in dem Manuskript, welches er, nur
wenige Tage zuvor fertig gestellt, im März 1933 bei seiner Flucht aus
Deutschland von Berlin über Potsdam, Magdeburg, Frankfurt in die Schweiz und
schließlich in die USA als einzige Habe mit sich führen und damit retten konnte.
Besonderes Interesse daran kam aus Spanien, wo sich spanische
Anarcho-SyndikalistInnen im „Bürger“krieg mit dem Militär Francos und den
stalinistischen Kommunisten Spaniens befanden. Folglich erschien die erste
Ausgabe 1936 auch nicht in deutscher, sondern in spanischer Sprache in Barcelona
im anarchistischen Verlag „Tierra y Libertad“. Ein Jahr später kam eine weitere
Ausgabe in New York beim Verlag „Covici-Friede“ in englischer Sprache heraus –
Der deutsche Text blieb dagegen bis nach dem Krieg unveröffentlicht.
Übersetzungen gab es auch ins Holländische, Schwedische, Portugiesische,
Französische und Japanische.
Rockers Buch „Nationalismus und Kultur“ stallt nach den Worten seines Biographen
Peter Wienand den Versuch dar, eine „alle Wissensgebiete umfassende
philosophische Gesamtschau zu bieten“ und ist damit in seiner
geschichtsphilosophischen Konzeption Oswald Spenglers „Der Untergang des
Abendlandes“ sehr ähnlich. So nimmt es nicht Wunder, dass die deutsche
Erstausgabe auch unter dem Titel „Die Entscheidung des Abendlandes“ erschien. Im
Gegensatz zu Spengler sah Rocker jedoch im Menschen ein eigenständiges und
vollwertiges Wesen, welches seine Zukunft ganz aus eigener Kraft gestalten könne
und somit auch der Verlauf der Geschichte allein von ihm abhängig ist, von
seinem „Willen zur Freiheit“.
Rockers Werk ist nicht nur zuerst im Ausland gedruckt, sondern auch fast nur
dort gedruckt und somit auch breiteren Kreisen bekannt geworden. In Deutschland
interessierten sich weder die größeren westdeutschen noch die ostdeutschen
Verlage für die anarcho-syndikalistischen Gedankengänge Rockers.
Auch Albert Einstein und Thomas Mann kamen in den Genuss des Buches. Einstein:
„Ich finde Rockers Buch außerordentlich originell und lehrreich. Es stellt die
gesellschaftlichen Zusammenhänge überzeugend im neuen Licht dar. Ich teile zwar
nicht Rockers negative Grundeinstellung zum Staate, halte aber dieses Buch für
sehr wichtig.“
Thomas Mann: „Es freut mich aufrichtig, dieses bedeutende, tief fundierte und
geistig reiche Buch zu besitzen, und ich möchte wünsche, dass es in viele Hände
all über die Welt hin gelangt.“
Verbreitung fand „Nationalismus und Kultur“ besonders an manchen Universitäten
Amerikas und avancierte bei mindestens vier Professoren zum Vortragsgegenstand.
Innerhalb der anarchistischen Bewegung wurden Rockers Schriften ebenso sehr als
Grundlage betrachtet, wie die Gedanken Bakunins, Kropotkins oder Proudhons.
Fritz Linow sprach von einem „Standardwerk des freiheitlichen Sozialismus“,
Augustin Souchy schlug für den Verfasser den Friedensnobelpreis vor, F.A. Ridley
charakterisierte es als „die umfassendste und mit außergewöhnlichen Kenntnissen
abgefasste Darstellung freiheitlicher Philosophie.“
Aus: H. Döhring: Der Kampf der Kulturen gegen Macht und Staat in der
Geschichte der Menschheit. Eine Ausarbeitung zu Rudolf Rockers Werk
„Nationalismus und Kultur“, Bremen 2002
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