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Fritz Linow

Gewerkschaftsbewegung und Arbeitsrecht

„(...) Der Tarifvertrag ist zu einer Einrichtung geworden, die der Wirtschaft den Arbeitsfrieden sichert und Gleichgewichtsstörungen auf ein Minimum reduziert. Die reformistischen Gewerkschaften aber zerfließen fast in Ehrfurcht vor der Heiligkeit und Unantastbarkeit eines Tarifvertrages, der doch streng genommen nichts anderes darstellt als einen Vertrag, durch den der betroffene Arbeiter seine Ausbeutung für einen Rechtszustand erklärt und freiwillig Verzicht leistet auf den Kampf um die Änderung der ökonomischen Ordnung. Die Tarifvertragspolitik, die durch die Verordnung über die Tarifverträge zu einem hervorragenden Bestandteil der kapitalistischen Wirtschaftsführung geworden ist, beschränkt durch das geltende Tarifrecht die gewerkschaftliche Aktionsfreiheit so stark, daß kaum noch von einem Klassenkampf gesprochen werden kann. Voraussetzung jeder auf Klassenkampf eingestellten Handlung ist, daß sie unter Außerachtlassung der Interessen des Gegners rücksichtslos die eigenen wahrnimmt und alles tut, um den bestehenden Zustand der Dinge zu beseitigen, in unserem Falle, die gesellschaftliche Stellung des Arbeiters zu seinem Vorteil und zugunsten des endlichen Sieges der sozialistischen Weltanschauung zu verändern. Das Tarifrecht hingegen, welches eine Folge der Verordnung über die Tarifverträge ist, die wiederum aus der Tarifvertragspolitik der sozialdemokratischen Gewerkschaftsverbände resultiert, hebt den Klassenkampf auf und setzt an seine Stelle Klassenharmonie. Die Klassenharmonie als Ausfluß der Tarifvertragspolitik macht aber die Gewerkschaft als Interessen- und Kampforganisation als ökonomischen Ausdruck einer bestimmten Gesellschaftsklasse überflüssig.

Die Gewerkschaften sollen die gesellschaftliche Stellung des Arbeiters verändern. Sie können das aber nur, wenn sie außerhalb der herrschenden rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Anschauungen den Kampf um den Sieg ihrer eigenen Ideen führen. Die Gewerkschaftsbewegung hat also, von einem solchen Standpunkt aus betrachtet, die Verpflichtung, Hemmnisse aus dem Wege zu räumen, damit ihrer Aktionsfreiheit möglichst wenig Schranken gesetzt sind. Das Arbeitsrecht aber ist eine gewaltige Schranke, die auf allen Gebieten des wirtschaftlichen Kampfes hindernd in den Aufgabenkreis der Gewerkschaftsbewegung tritt.

An Stelle des Arbeitsrechts muß der ungehinderte wirtschaftliche Kampf der Arbeiter treten, welche nicht an die bestehende Rechtsauffassung anknüpft, sondern, gewissermaßen unter Ausschluß des kapitalistischen Rechtsweges, neue Wege des Kampfes um die Änderung der gesellschaftlichen Stellung des Arbeiters sucht.“

Aus: „Die Internationale“, Nr. 1/1927, abgedruckt in: FAU-Bremen (Hg.): Syndikalismus – Geschichte und Perspektiven. Ergänzungsband, Bremen 2006

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