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Martin Veith

75. Todestag von Sacco und Vanzetti

Am 23. August 2002 jährt sich zum 75. mal die Ermordung der beiden italienischstämmigen Anarchosyndikalisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti durch den Staat Massachusetts in den USA.

Sie wurden auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet, weil sie Gewerkschaften aufbauten die den Widerstand gegen die Willkür der Kapitalisten und des ihnen dienenden Staates organisierten. Sie wurden hingerichtet, weil sie ein freies Leben für alle Menschen in einer klassen- und herrschaftslosen Gesellschaft erstrebten.

Sacco und Vanzetti emigrierten 1908 aus Italien in die USA, auf der Suche nach einem besseren Leben außerhalb der Armut, wie es damals viele ArbeiterInnen aus Europa, speziell aus Italien und Deutschland taten. In den USA erkannten sie schnell das es für die ArbeiterInnen keine Rechte gab, sie bis zu 18 Stunden am Tag arbeiten mussten und die Löhne zuviel zum Sterben und zu wenig zum Leben waren. Hinzu kam der Rassismus gegen EinwanderInnen, geschürt durch Bürgertum und nationalistische und gelbe Gewerkschaften. Schon bald gehörten die beiden zu den aktiven anarchistischen GewerkschafterInnen in den italienischen Communitys in den USA; organisierten Vorträge, Versammlungen und beteiligten sich am Aufbau radikaler Gewerkschaften. Als der Profit von Bürgertum und Kapitalisten durch die Zunahme von ArbeiterInnenkämpfen – die u.v.a. für ihre Rechte auf Organisation und höhere Löhne streikten ernsthaft in Gefahr geriet, veranstalteten sie eine jahrelange Hetzkampagne gegen „Rote“ und „Ausländer“ deren Resultat mehrere - von Polizei und Privatarmeen der Unternehmer - ermordete GewerkschafterInnen und AnarchistInnen waren. Brutale Polizei-Razzien gegen Gewerkschaften und EmigrantInnen waren an der Tagesordnung. Am 3. Mai 1920 wurde der italienische Buchdrucker und Anarchist Andrea Salsedo aus dem 14. Stock des New Yorker Polizeigefängnisses in die Tiefe gestürzt. An einem daraufhin gegründeten anarchistischen Untersuchungskomitee über die Umstände des Todes von Salsedo waren Sacco und Vanzetti beteiligt. Vanzetti sollte als Redner auf einer Versammlung am 9.Mai über die Umstände des Todes von Salsedo sprechen. Beide wurden aber am 5. Mai 1920 von der Polizei festgenommen.

Haft, Prozess und Urteil

Tagelang wurden die beiden über die Gründe der Verhaftung und Anklage gegen sie nicht informiert. Beide gingen davon aus aufgrund ihrer anarchistischen Tätigkeit verhaftet worden zu sein. Doch der Gouverneur des Staates Massachusetts und die Polizeioberen klagten Vanzetti wegen „Raubmordes“, begangen am 24.12.1919 in Bridgewater an und verurteilten ihn unter Ausblendung aller Fakten und Zeugenaussagen, die seine Unschuld bewiesen zu 15 Jahren Zuchthaus. Einem Revisionsantrag wurde nicht stattgegeben, stattdessen wurden er und Sacco eines „Raubmordes“ am 15. April 1920 in South Braintree angeklagt. Der Prozess war geprägt durch die Ausschaltung von Dutzenden von Entlastungszeugen, die nicht gehört wurden, weil sie „Ausländer“ waren, von der Unterschlagung von Beweismaterial zu ihrer Entlastung, von rassistischen Richtern und Geschworenen und dem absoluten Willen der Anklage zur Vernichtung der beiden unschuldigen Anarchisten. Selbst als die wahren Täter die Tat gestanden ignorierten Richter Thayer und Staatsanwalt Katzmann die Fakten. Der Justizmord sollte durchgesetzt werden.

Am 14. Juli 1921 wurden die Angeklagten für schuldig befunden und zum Tode durch den elektrischen Stuhl verurteilt. Das Todesurteil löste in der amerikanischen Arbeiterschaft einen mächtigen Protest aus. Zu offensichtlich war, das hier zwei Unschuldige aufgrund ihrer politischen und sozialen Anschauungen hingerichtet werden sollten. In vielen Städten bildeten sich nun Verteidigungskomitees und auch in Europa, Südamerika, Asien und Australien mobilisierten die radikalen Gewerkschaften und die anarchistischen Organisationen zu ihrer Verteidigung. Die durch die Verteidigung beantragte Revision und Wiederaufnahme des Verfahrens wurde regelmäßig abgelehnt. Bis zum 19. August 1927 – über 7 Jahre -zog sich diese Prozedur hin mit wiederholter Festsetzung des Hinrichtungstermins und darauffolgenden Aufschüben. Am 19. August 1927 wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens endgültig abgelehnt. Ein Gnadengesuch Saccos wurde von Gouverneur Fuller abgelehnt. Vanzetti stellte keines.

Die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl wurde am 23. August 1927 vollzogen. Beim Betreten der Todeskammer rief Vanzetti „Es lebe die Anarchie“.

Weltweit kam es zu Massendemonstrationen der ArbeiterInnenbewegung. In vielen Ländern kam es zu blutigen Zusammenstössen mit der Polizei.

Der US-Staat wollte den politischen Charakter des Prozesses leugnen, doch es ging um nichts anderes als die exemplarische Hinrichtung zweier Anarchisten und Ausländer um vor Widerstand gegen ihr System der Ausbeutung und Unterdrückung abzuschrecken. Sie haben ihr Ziel nicht erreicht. Sacco und Vanzetti sind ein Symbol geworden für die Unterdrückten und kämpfenden Menschen auf der ganzen Welt. Sie wurden vom Kapital und seinem Staat ermordet – aber sie sind unsterblich. Wir kämpfen auch heute für die gleichen Ziele für die Sacco und Vanzetti ihr Leben geben mussten. Die Geschichte der USA ist auch die Geschichte des Mordes und Terrors gegen radikale ArbeiterInnen und Menschen die in Freiheit und Würde leben wollen. Unvergessen ist die Hinrichtung der fünf „Haymarket“-Anarchisten 1887 in Chicago, die für den 8-Stunden Tag kämpften. Der Ursprung des 1. Mai als internationaler Kampftag der arbeitenden Klasse geht auf diesen Justizmord zurück. Unvergessen auch der Justizmord am amerikanischen Liedermacher und Gewerkschaftsorganizer der „Industrial Workers of the World“ (IWW) Joe Hill 1915. Sie alle werden niemals vergessen sein, genauso wenig wie die, die heute in den Fängen der Justiz sind und unschuldig zum Tode verurteilt wurden, wie der Black Phanter Mumia Abu Jamal und der Aktivist des „American Indian Movement“ Leonard Peltier. Im Land des Kapitalismus gibt es eine lange antikapitalistische Tradition. Nichts und Niemand wird vergessen !

Zitate von Sacco und Vanzetti

In einem Abschiedsbrief an seinen Sohn Dante schreibt Nicola Sacco kurz vor der Hinrichtung:

„Denke stets daran, .., dass du im Spiel des Glücks nicht alles für dich benutzt...hilf den Schwachen, die um Hilfe rufen, hilf den Verfolgten und dem Opfer, denn sie sind deine besseren Freunde; sie sind die Genossen, die kämpfen und fallen, wie dein Vater und Bartolo in der Vergangenheit kämpften und fielen für den Sieg des Glücks der Freiheit für alle und die armen Arbeiter...Es ist der Kampf zwischen den Reichen und den Armen um Sicherheit und Freiheit ...“

„Ich weiß, das Urteil wird zwischen zwei Klassen fallen, der unterdrückten Klasse und der reichen Klasse, und immer wird Kampf sein zwischen den beiden. Wir kommen brüderlich zu dem Volk mit Büchern, mit Literatur. Ihr verfolgt das Volk, tyrannisiert es und mordet seine Söhne. Wir versuchen immer die Erziehung des Volks. Ihr versucht eine Trennung zu setzen zwischen uns und eine andere Nationalität, um einander zu hassen. Deshalb bin ich heute hier auf dieser Bank, weil ich der unterdrückten Klasse angehöre. Sie sind die Unterdrücker.“

Nicola Sacco bei der Urteilsverkündung an Richter Webster Thayer.

In einem Brief an Gouverneur Fuller schreiben Sacco und Vanzetti „Wir haben unsere Köpfe hochgehalten, wie wahre Söhne der Menschheit, sieben Jahre in diesen Zellen aus Stahl. Wir gehen diesen Gang runter zum Sterben, mein Herr, wie es Arbeiter schon vor uns getan haben. Aber wir würden immer noch für unseren Klassenkampf arbeiten, auch wenn wir noch 1000 weitere Leben hätten."

Literaturhinweise:

Es gibt eine kleine Anzahl von Büchern, die sich ausführlich mit Sacco und Vanzetti, ihrem Leben und dem Justizmord an ihnen beschäftigen. Drei seien hier zum Lesen empfohlen:

Augustin Souchy „Sacco und Vanzetti“, Verlag Freie Gesellschaft

Erich Mühsam „Staatsräson – Ein Denkmal für Sacco und Vanzetti“ , Trotzdem Verlag 1992

Helmut Ortner „Zwei Italiener in Amerika – Der Justizmord Sacco und Vanzetti“, Verlag Arthur Moewig

 

aus Bremer Aktion Nr. 11

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