„Der Syndikalist“
Untertitel: Organ der Freien
Arbeiter-Union Deutschlands/Syndikalisten (ab 1922: Anarcho-Syndikalisten)
Herausgeber: Geschäftskommission der FAUD
Erscheinungsort: Berlin
Erscheinungszeitraum: 1. Jg. Nr. 1/14.
Dezember 1918 – 14. Jg. Nr. 52/31. Dezember 1932
Auflage:
1918: („Anfänglich“): 10.000
1919: (Juni): 50.000
1919: (Dezember): 45.000
1920: 120.000
1922: 71.000-78.000
1924: 25.000
1925: 21.000
Seitenzahl: 4-8
Redaktion:
1918: Fritz Kater
1919: Max Winkler
1920: Max Winkler
1921: Max Winkler/Fritz Köster
1922: Fritz Köster /Augustin Souchy (seit
März)
1923: Augustin Souchy
1924: Augustin Souchy
1925: Augustin Souchy
1926: Augustin Souchy
1927: Augustin Souchy/Helmut
Rüdiger
1928: Helmut Rüdiger
1929: Helmut Rüdiger
1930: Helmut Rüdiger
1931: Reinhold Busch
1932: Gerhard Wartenberg
Verlag:
1918-1932: Fritz Kater, Kopernikusstrasse 25,
II, Berlin und Verlag „Der Syndikalist“, Reinhold Busch, Neukölln am Wasser
11, Berlin
Druck:
1918 - 1931: Maurer & Dimmick, Köpenicker
Strasse 36-38, Berlin
1932: C. Janiszewski, Elisabethufer 29,
Berlin
Beiträge von: Johann Anhäuser, Michael
Bakunin, Franz Barwich, Hertha Barwich, August Beil, Theodor Bennek,
Alexander Berkman, Eugen Betzer, Hans Blöchl, Armando Borghi, Heinrich
Börner, Wilhelm Buchholz, Reinhold Busch, Robert Buth, Erich Butterlin, Max
Büttner, Paul Czakon, Berthold Cahn, Julius Dahms, Fritz Dettmer, Karl
Dingler, Gustav Doster, Heinrich Drewes, Etta Federn-Kohlhaas, Francisco
Ferrer, Victor Fraenkl, Hugo Frisch, Franz Gampe, Anni Geiger-Gog, Hermann
George, Hermann Giesau, Gregor Gog, Emma Goldman, Ferdinand Gross, Carl
Haffner, Georg Hepp, Otto Heuer, Max Hilse, Arthur Holke, Erna Huber, Albert
Juppenlatz, Oskar Kanehl, Anna Katalina, Fritz Kater, August Kettenbach,
Helmut Klose, Oskar Kohl, Fritz Köster („Cyclop“), Franziska Krischer,
Peter Kropotkin, Gustav Landauer, Bernardus Lansink, Berta Lask, Arthur
Lehning, Fritz Linow, Nina Mardon, Grete Meisel, Alfred Metz, Rudolf
Michaelis, Friedrich Minck, Erich Mühsam, Max Nettlau, Ernst Niebling,
Fernand Domela Nieuwenhuis, Franz Nowak, Fritz Oerter, Alois Paul („Espero“),
Willi Paul, Fernand Pelloutier, Karl Peter, Theodor Plievier, Walter Preis,
Pierre Joseph Proudhon, Georg Radlbeck, Heinrich Reuß, Ernst Rieger, Karl
Roche („Diogenes/Isegrim“), Wilhelm Rosenthal, Anton Rosinke, Josef Rösler,
Helmut Rüdiger, Otto Rühle, Diego Abad de Santillan, Alexander Schapiro,
Gustav Scheib, Rene Schickele, Robert Schlisch, Wilhelm Schroers, Theodor
Schuster, Augustin Souchy, Claus Spaniol, Johann Spaniol, Martha Steinitz,
Helene Stöcker, Artur Streiter, Bruno Vogel, Heinrich Vogeler, Mathilde
Wachsmuth, Gerhard Wartenberg, Wilhelm Wehner, Johann Weigl, Karl Heinrich
Werner, Willi Wihler, Carl Windhoff, Max Winkler, Milly Witkop-Rocker, Emil
Zehner, u.a.
Rubriken: Aus der Jugendbewegung, Aus
unserem Leserkreis, Politische Rundschau, Gewerkschaftliches,
Vereinsnachrichten, Aus der Korrespondenz, Aus der Internationale,
Eingesandt, Bücherbesprechung, Internationales Bulletin, Aus den
Frauenbünden, u.a.
Besondere Ausgaben: Michael
Bakunin-Ausgabe/Nr. 26/26. Juni 1926 (Verfasser: Max Nettlau)
Für die Vorkämpfer der russischen
Revolution!/Nr. 46/15. November 1930
Kropotkin-Ausgabe: Nr. 6/1931.
Beilagen: „Frauen-Bund“, „Frei das Land“,
„Jugendwille“, „Die junge Menschheit“, „Der Bauindustriearbeiter“, „Der
Holzindustriearbeiter“, „Mai-Zeitung“, „Der Metallindustriearbeiter“,
„Mitteilungsblatt der Arbeitsbörse Gr. Berlin“, „Für den Binnenschiffer“. In
einem Kongreßbeschluß von 1930 heißt es: „Die Beilagen im Syndikalist werden
aufgehoben. Diese Spezialfragen werden nach Bedarf im ‚Syndikalist’
mitbehandelt.“
Vorgänger: „Die Einigkeit“
Nachfolger: „Arbeiter-Echo“
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Geschichte: In ihrer ersten Ausgabe von „Der Bauarbeiter“ vom Januar
1925 schrieb die Redaktion über die historische Genese und Entwicklung des
„Syndikalist“: „(…) schon vor 40 Jahren wurde mein Vorgänger, ‚Der
Bauhandwerker’, geboren. Sein Geburtstag war der 1. Juni 1884, Geburtsort:
Berlin. Das war zu einer Zeit, als über der deutschen Arbeiterbewegung,
soweit sie sich sozialistisch betätigte, das Damoklesschwert des
‚Sozialisten-Gesetzes’ hing, welches jeden Augenblick heruntersausen und ‚Roß
und Reisige’ tönen konnte. Eine schwere Zeit war das! Freilich können sich
von ihr nur diejenigen das richtige Bild machen, die es damals schon mit dem
sozialistischen Klassenkampf tief ernst nahmen. Dazu gehörte aber gerade
‚Der Bauhandwerker’ und die Männer, welche ihn in ihrem Geist erfüllten. Es
waren dies die Berliner Maurer, deren Kind er war, und sein Hauptnährvater,
der Regierungsbaumeister Gustav Kessler. Zwei Jahre aber nur sollte sein
Leben in Berlin dauern. Er wurde auf Grund des ‚Sozialisten-Gesetzes’
verboten. Verleger und Redakteur und noch eine ganze Reihe andere tätige
Kameraden wurden aus ihrem Heimatort ausgewiesen, und nicht nur von Frau und
Kindern gerissen, sondern brot- und heimatlos gemacht. Das war Ende Juni
1886. Am 1. Juli aber, also eine Woche später, erschien sogleich, in
Braunschweig, die Nummer 2 ‚Der Baugewerkschafter’. Wohl ein anderer
Kopftitel, auch andere Verantwortliche, aber der Inhalt blieb derselbe, wie
bei seinem ermordeten Bruder. Man konnte eben den Geist des Nährvaters nicht
erschlagen. Auch den ‚Baugewerkschafter’ ereilte dasselbe Schicksal wie
seinen Vorgänger. Er wurde erdrosselt. Auch hier wurde der Redakteur wieder
ausgewiesen. Es erschien dann aber gleich auf dem Fuße ‚Das Vereinsblatt’,
und als dieses verboten wurde, ‚Die Solidarität’. Ihr folgte dann nach zwei
Wochen ‚Der Wanderbursche’. Mit der Zeit wurde auch das ‚Sozialisten-Gesetz’
nicht mehr verlängert (Oktober 1890!), und von da ab kam wieder ‚Der
Bauhandwerker’, der sich bis zum Jahre 1897 tapfer durchkämpfte. Es sei
besonders betont, dass der ‚Bauhandwerker’, trotzdem er seinen Namen so oft
ändern und von einem Ort zum andern wandern mußte, keine Woche ausblieb,
trotz aller Verbote, Verfolgungen und Ausweisungen. Aus ihm wurde dann ‚Die
Einigkeit’ geboren, die am 19. Juni 1897 das Licht der Welt erblickte. Deren
Nachfolger wurde endlich, mit dem Zusammenbruch des alten Regimes in
Deutschland, „Der Syndikalist“!
„Der
Syndikalist“ war die Wochenzeitung der anarcho-syndikalistischen Freien
Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) und die Nachfolgezeitung der zu Beginn
des 1. Weltkrieges verbotenen „Die Einigkeit“. Im „Syndikalist“ wurde aus
der anarcho-syndikalistischen Bewegung Deutschlands und der ganzen Welt
berichtet, über aktuelle Streiks und andere Kämpfe informiert und zu
konkreter Solidarität aufgerufen. Nicht nur über die welthistorischen
Ereignisse, wie den Kronstädter Aufstand, der internationalen Kampagne zur
Rettung von Sacco und Vanzetti oder der Verfolgung der Anarcho-Syndikalisten
und Anarchisten in der Sowjetunion wurde aus erster Hand berichtet, der
„Syndikalist“ verfügte über ein erstklassiges internationales
Korrespondentennetzwerk. Mit dem Aufkommen und der Stärkung der Nazibewegung
nahmen die Berichte und Analysen über den Kampf gegen den Faschismus zu. Die
erste Ausgabe erschien am 14. Dezember 1918. Wenige Jahre später erreichte
sie ihre Höchstauflage von 120.000 Exemplaren, bevor sie bis 1932 auf weit
unter 10.000 Exemplaren sank. Beilagen gab es zu verschiedenen
Branchengruppen, der Jugend und den Frauen.
In der
Programmatischen Grundlage der FAUD hieß es im Jahre 1927 zur Rolle des
„Syndikalist“: „Die Pressekommission, deren Obmann vom Kongreß gewählt wird,
besteht aus fünf Personen. Die Wahl der vier weiteren
Presskommissionsmitglieder neben dem Obmann vollzieht die
Delegiertenversammlung der Kreis-Arbeits-Börse Groß-Berlin. Der
Pressekommission liegt es ob, über die prinzipielle Haltung des
„Syndikalist“ sowie darüber zu wachen, dass das Blatt nicht zum Austrag
persönlicher Polemiken, Streitigkeiten und Zänkereien sowie Beleidigungen
innerhalb der eigenen Bewegung benutzt wird, ferner Beschwerden
entgegenzunehmen, sie auf ihre Berechtigung hin zu prüfen und gegebenenfalls
mittels Einspruch und Verhandeln mit der Stelle, gegen die sich die
Beschwerde usw. richtet, die Mängel abzustellen zu suchen.“
Bezüglich
der Redakteure wurde geregelt: „Die Aufgabe der Preßkommission des
‚Syndikalist’ besteht darin, die prinzipielle Haltung des Organs der FAUD zu
überwachen. Die Preßkommission bestimmt also nicht etwa über Aufnahme oder
Ablehnung jedes einzelnen Artikels, wie das in anderen Arbeiterzeitungen oft
der Fall ist, sondern die Preßkommission gibt ihr Urteil und ihre
Entscheidung nur ab, wenn entweder der Redakteur oder die Einsender von
Artikeln sich beschwerdeführend an die Preßkommission wenden. Im übrigen hat
der Redakteur freie Hand, ob er einen Artikel zum Druck annehmen oder
ablehnen zu müssen glaubt. Er muß sich in seinen Entschlüssen lediglich an
die prinzipielle und organisatorische Grundlage der FAUD gebunden fühlen.“
Dabei hatte
der „Syndikalist“ einige Startschwierigkeiten, womit sich relativ lange
Ausführungen auf dem 12. Kongress der FAUD Ende 1919 befassten: „Auch dem
Bezug der Zeitungen, Syndikalisten oder Rundschreiben, müssen die
Organisationen mehr Sorgfalt zuwenden. Wo Verbote vorliegen oder
militärische Konfiskationen erfolgen, empfiehlt es sich, mehrere Adressen,
möglichst aus Nachbarorten, herauszusuchen, so dass die Zeitungen in
kleineren Sendungen verschickt werden können. Bei Nichterhalten ist dies
sofort der Geschäftskommission mitzuteilen, und neue Adressen bekannt zu
geben. Es ist vorgekommen, dass Organisationen erst bei Rechnungserhalt
erklärten, monatelang keine Zeitungen erhalten zu haben, und Bezahlung dann
ablehnten. Das geht natürlich nicht an, solche Zeitungen müssen die betr.
Organisationen auch bezahlen. Die Organisationen müssen auch das Risiko für
solche gefährdeten Sendungen tragen, sonst können wir Sendungen nicht mehr
an solche Stellen abschicken. Andernfalls müssten uns Extrabeiträge für den
Presse-Fonds zu diesem Zweck überwiesen werden (…).“
Der 14. FAUD-Kongress im Jahre 1922 beschloss: „Der ’Syndikalist’ ist allen
Ortsgruppen wie bisher wöchentlich zuzusenden. Die Ortsvereine verteilen die
Zeitung obligatorisch an die Mitglieder. Falls eine Tageszeitung oder
Wochenschrift im Sinne der FAUD (S.) gegründet werden sollte, bleibt es den
Mitgliedern überlassen, diese zu abonnieren.“
Ein Antrag auf Erscheinen des „Syndikalist“ zweimal die Woche wurde
abgelehnt. Die Umstellung auf eine Tageszeitung wurde lediglich angedacht:
„Der 15. Kongress sieht die Bedeutung einer syndikalistischen Tageszeitung
für die Propaganda unserer Ideen ein. Er ist aber der Meinung, dass dieser
Plan gegenwärtig undurchführbar ist. Der Kongreß beschließt jedoch, einen
besonderen Fonds zu schaffen zum Zweck der Gründung einer Tageszeitung.“
Auf dem 14. FAUD-Kongreß brachte sich Theodor Plievier mit einem Antrag zum
„Syndikalist“ in die Diskussion ein zur Herausgabe auflagenhoher Beilagen zu
speziellen Themen. Der später weltberühmte Schriftsteller wurde sogar zur
Wahl in die Geschäftskommission aufgestellt, jedoch nicht gewählt.
Er stellte sich Ende 1922 auch zur Wahl als Hauptredakteur des
„Syndikalist“, wurde jedoch mit 28 zu 108 zugunsten von Augustin Souchy
überstimmt.
Er geriet mit dem Redakteur Fritz Köster aneinander.
Rudolf Rocker schrieb rückblickend über Plievier: „Doch er lebte auch sonst
in großer Not und hatte oft nicht genug, um Leib und Seele zusammenzuhalten.
Ich half ihm, so gut ich konnte, und da er in Südamerika die spanische
Sprache erlernt hatte und auch englisch verstand, so gelang es mir, dass er
vom Verlag Syndikalist mit zwei Übersetzungsarbeiten beauftragt wurde. Die
erste war eine Übersetzung der letzten englischen Ausgabe von Kropotkins
Fields, Factories and Workshops. (…) Plievier fügte seiner Übersetzung ein
kurzes Nachwort bei, das für seine literarische Begabung Zeugnis ablegte.
Die zweite Arbeit war eine Übersetzung von Francisco Ferrer’s La Escuela
Moderna (Die moderne Schule). (…) Da die Geschäftskommission der FAUD (Freie
Arbeiter-Union) auf ihren jährlichen Kongressen stets neu gewählt wurde,
darunter auch der Redakteur der Wochenzeitung Der Syndikalist, die damals in
hunderttausend Exemplaren und achtseitig gedruckt wurde, so fragte er mich
eines Tages, ob ich nicht dächte, dass er sich um den Posten bewerben
sollte, wobei ich vielleicht ein gutes Wort für ihn einlegen könnte. Ich
sagte ihm ganz offen, dass ich nicht an seiner Fähigkeit zweifle, aber nicht
glaube, dass er für ein Blatt wie der Syndikalist der rechte Mann wäre.
‚Dein Feld ist ein anderes, Theo’, sagte ich ihm ‚Du bist kein Journalist,
sondern ein Schriftsteller, und wenn es auch Zeit nimmt, bis Du Dich
durchsetzen wirst, so wirst Du später an Deiner Arbeit umso mehr Freude
finden.’ In der Tat hätte sich Plievier für den Syndikalist wohl kaum
geeignet. Er war überhaupt kein Bewegungsmensch und hatte für die
unumgängliche Kleinarbeit einer Bewegung wenig Interesse. Sagte ihm eine
Arbeit zu, so konnte er sich ihr Tag und Nacht hingeben; doch wenn er damit
fertig war, nahm es ihm oft Wochen und sogar Monate, bis er sich zu einer
neuen Arbeit entschließen konnte, was bei seiner ganzen Veranlagung durchaus
begreiflich war. Er nahm mir mein offenes Urteil auch nicht übel, weil er
wohl selber fühlen mochte, dass ich recht hatte.“
Der „Syndikalist“ war eine Mitgliederzeitung der FAUD und sein Preis in den
Mitgliedsbeiträgen inbegriffen. Dennoch wurde er auch an Kollegen und
nahestehende Personen weitergegeben. In den Jahren 1930-1932 wurde auch für
Abonnements und Sammlung von Abonnenten geworben.
Ganz in diesem Sinne wurde auf dem FAUD-Kongress 1930 beschlossen: „Unser
Organ ‚Der Syndikalist’ ist so auszubauen, dass es sich besser als bisher
zum Vertrieb auf den Straßen, vor den Betrieben und in den Häusern eignet,
da unsere Zeitung immer noch das beste Propagandamittel unserer Ideen ist.
Die Bücherbesprechungen und rein philosophischen und theoretischen
Erörterungen sind auf das Mindestmaß zu beschränken. Dafür sind mehr
Versammlungs- und Situationsberichte zu bringen, sowie Tagesfragen
eingehender zu behandeln. Im Gegensatz zu Flugblättern schafft die Zeitung
ein festes Bindeglied zwischen der FAUD (AS) und unserer Weltanschauung
einerseits, und den Abonnenten andererseits, ganz abgesehen davon, dass in
einem solchen Falle die Abonnenten unsere Propaganda mit finanzieren
helfen.(…) Um die Werbearbeit zu unterstützen, wird regelmäßig eine
bestimmte Anzahl von Zeitungen über die Bezieherzahl hinaus gedruckt, sobald
die alten Verlagsschulden abgetragen sind, die dann zusammen mit den
Werbeblättern in die Häuser gebracht werden.“
Repression
„Schon
wieder der Staatsanwalt“, so titelte der „Syndikalist“ und gab weiter
Auskunft: „Am 9. Januar 1931 erschienen in den Räumen der
Geschäftskommission der FAUD, Berlin S 14, einige Kriminalbeamte, die den
Auftrag hatten, die Nr. 50 des ‚Syndikalist’ vom vorigen Jahre zu
beschlagnahmen. Leider war die Auflage dieser Nummer schon fast ganz
verbraucht, so dass wir Herrn Greszinski nur noch eine Handvoll Exemplare
ausliefern konnten. Die Beschlagnahme erfolgte auf staatsanwaltliche
Weisung, durch das Amtsgericht Berlin-Mitte. Welches ‚Verbrechen’ oder
‚Vergehen’ gegen die bestehende ‚Ordnung’ und ihre Gesetze vorliegt, konnte
bisher noch nicht festgestellt werden, da von unserer Seite noch nicht
Einblick in die Akten des Staatsanwalts genommen werden konnte. Scheinbar
hat man es jetzt auf die anarcho-syndikalistische Bewegung abgesehen! Nun –
wir sind von unserer Arbeit nicht abzubringen: wir werden unsere
propagandistische und organisatorische Pflicht in der proletarischen
Bewegung trotz allem niemals vernachlässigen und stets das sagen, was unser
revolutionäres Gewissen uns zu sagen und zu fordern gebietet! (…).“
Ein Verfahren gegen den „Syndikalist“ vom Jahre 1931, weil dieser über eine
kriminalisierte Steuerstreikaktion in Kassel berichtete, wurde wieder
eingestellt, „da der Artikel des ‚Syndikalist’ über die Kasseler
Propagandaaktion als eine bloße Berichterstattung für den Staatsanwalt nicht
die geeignete Angriffsfläche bot.“
Schon im Sommer 1931 erging ein Beschlagnahmebefehl, der jedoch zunächst
nicht umgesetzt worden ist. Betroffen war der „Syndikalist“ Nr. 24/1931
wegen der Artikel „Gewerkschaftsbürokratie und Unternehmer in Nordwest“ und
„Die Krisenlage in Deutschland“. Darin soll eine öffentliche Beschimpfung
des Staates nach § 5, Ziffer 1 enthalten gewesen sein. Das Verbot kam
aufgrund der Notverordnungsgesetze zustande „zum Schutze der Republik“.
Der nächste Schlag erfolgte im November 1931, wie es der „Syndikalist“
dokumentierte: „’Syndikalist’ beschlagnahmt! Severing und Grzesinski
besorgen die Geschäfte des Klerikalismus… Der Polizeipräsident in Berlin
Landeskriminalpolizeiamt (I). Berlin, Alexanderstr. 3/6. An den Verlag
Reinhold Busch, Berlin S 14, Märkisches Ufer 11. (…) Die in Ihrem Verlag
erschienene und in der Druckerei A. Janiszewski, GmbH, Berlin, Elisabethufer
29 hergestellte Wochenschrift ‚Der Syndikalist’ Nr. 45 vom 7.11.1931 wird
gemäß § 12, Abs. 1 in Verbindung mit § 1, Absatz 1, Ziffer… der Verordnung
des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom
28.3.1931 und § 2, Absatz 1 der 2. Verordnung des Reichspräsidenten zur
Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 10.8.1931 für den Bereich des
Freistaates Preußen beschlagnahmt und eingezogen, weil in dem Artikel:
‚Zwiebelvariante: der Papst weint’ eine böswillige Verächtlichmachung einer
Religionsgemeinschaft des öffentliches Rechts und ihrer Einrichtungen,
Gebräuche oder Gegenstände ihrer religiösen Verehrung erblickt wird und
durch die Verbreitung der Zeitschrift die öffentliche Sicherheit und Ordnung
gefährdet wird. In Vertretung: gez. Geehrke. (…).“
Staat und Kirchen pressierten Hand in Hand, nicht nur in Preußen: Der
„Syndikalist“ kommentierte die abgedruckten Dokumente in ihrer Nr. 50 vom
12. Dezember 1931 nicht großartig, leitete jedoch die nachfolgende
Württembergische Verbotsbegründung („Das Blatt enthält auf Seite 1 ein
Zerrbild mit der Überschrift ‚Reichsverfassung, Art. 109’, durch das
Einrichtungen des Staates beschimpft und böswillig verächtlich gemacht
werden“) mit den Worten ein: „Noch ein Grund. Stuttgart brät sich eine
Extrawurst…“
Doch der „Syndikalist“ ließ sich von diesen Verbotsverfügungen nicht
einschüchtern: Denn alles stand zu lesen unter der Überschrift: „Wieder
beschlagnahmt!“, darunter ein Artikel mit dem Titel „Generalstreik gegen den
Faschismus!“, sowie unter der Überschrift „Koalitionsgenossen?“ eine
Karikatur, welche die SPD in Schafgestalt und mit dem Ausspruch zeigt: „Ich
bin tolerant“, dazu Adolf Hitler und einen Geistlichen in trauter Eintracht
mit Kirchenkreuz und Hakenkreuz tragend. In der zweiten Jahreshälfte 1932
zogen die Zensurbehörden per Notverordnungen ihre Verbotsmaßnahmen drastisch
an, weshalb über Nachfolge-, bzw. Ersatzorgane beraten wurde. Zunächst wurde
der „Syndikalist“ in einem Schreiben vom 02. September 1932 bis zum 02.
Dezember verboten. Doch sah der Polizeipräsident sich bereits am 23.
November desselben Jahres gezwungen, „gegen politische Ausschreitungen“ ein
erneutes Verbot „mit Wirkung vom 23. November bis zum 23. Februar 1933“
auszusprechen: „Das Verbot umfasst auch jede angeblich neue Druckschrift,
die sich sachlich als die alte darstellt, oder als ihr Ersatz anzusehen
ist.“ Das Verbot vom September wurde begründet mit der alten
Majestätsbeleidigungskeule, dass „die Reichsregierung beschimpft und
böswillig verächtlich gemacht“ worden sei. Besonderen Anstoß nahm die
Zensurbehörde an den Zeilen im „Syndikalist“ Nr. 35 vom 03. September 1932:
„Der Weg dieses Regimes ist weiter gekennzeichnet durch den Staatsstreich in
Preußen, dessen Rechtmäßigkeit noch immer stark angezweifelt ist, dessen
Begründung auf unwahren Behauptungen beruhte, dessen Durchführung mit
nackter Gewalt erfolgte.“ Das pikante hierbei: Das Verbot wurde bereits
einen Tag vor (!) Erscheinen des „Syndikalist“ ausgesprochen! Das abermalige
Verbot vom November 1932 wurde mit Textpassagen begründet, die aufgrund des
noch geltenden Verbotes garnicht hätten erscheinen dürfen. Ereignisse und
Verbote überschlugen sich förmlich. Dieses Mal wurde folgender Protest gegen
die Erschießung eines kleinkriminellen Schmugglers inkriminiert: „Wegen
solchen Drecks [Schmuggelei] erschießt man Menschen! Der Staat, der es tut,
nennt sich christlich, sittlich. Der Staatsmord wird zur Kulturschande in
Deutschland! Prolet, steh auf, miste aus! Weg mit den Mördern!“ Ganz richtig
erkannte die Polizei dies als Aufforderung „zur gewaltsamen Beseitigung der
besehenden Staatsmacht“, was verboten sei. Zudem würde „zum Ungehorsam gegen
Gesetze aufgefordert“ werden, und die Beanstandung der „Beschimpfung“ von
Staatsorganen durfte auch in dieser Verbotsverfügung nicht fehlen, da die
Zollbeamten „Mörder“ genannt wurden.
Umbenennung:
„So wird
der Syndikalist vom 1. Januar 1933 ab heißen: Arbeiter-Echo“
Standorte: IISG-Amsterdam, IML-Berlin, SBK-Berlin, ISB-Bochum, FES-Bonn,
SUUB-Bremen, IZF-Dortmund, SLB-Dresden, CIRA-Lausanne, DB-Leipzig
Wert für
Syndikalismusforschung: Die Hauptquelle für die Geschichte des
Syndikalismus in Deutschland
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