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Geschichte der syndikalistischen Arbeiterbewegung in Deutschland - Ein virtuelles Museum - Teil 3

 

Die Gestaltung der revolutionären syndikalistischen Arbeiterbewegung vom Jahre 1925 bis 1929.
 

Der Ausbau der Organisation der FAUD gemäß den Weisungen der Prinzipienerklärung und der Programmatischen Grundlage war in bezug auf die Industrie- Föderationen vollendet und erstreckt sich teilweise bis auf das internationale Gebiet hinaus. Die Entwicklung der Arbeitsbörsen dagegen zeigte nicht so schnelle Fortschritte. Die Gründung der Föderation der Arbeitsbörsen, die in Erfurt im Juni 1922 erfolgt war, sollte den bestehenden Börsen die Arbeit erleichtern, die Gründung weiterer Börsen anregen und die Organisation der Arbeitsbörsen und deren Zusammenschlüsse in Kreis, Provinz und Land ausbauen. Nachdem der Föderation der Arbeitsbörsen die Lösung dieser Aufgabe gelungen war, machte sich eine Konferenz der Kreis- und Provinzial- Arbeitsbörsen der FAUD notwendig. Diese wurde für den 3. und 4. Oktober 1925 nach Berlin einberufen.

Zweck und Aufgabe dieser Konferenz war es, ein einheitliches Zusammenarbeiten aller Arbeitsbörsen für das ganze Reich in die Wege zu leiten. Nachdem die Arbeitsbörsen in Kreis, Provinz und Land errichtet worden waren, sollte auf die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Organisationen der Industrie- Föderationen mehr Wert gelegt werden und diese derart ausgebaut werden, wie es die Zeichnung auf p. 116a dieser Arbeit darstellt. Ein Streit entstand nun auf dieser Konferenz in der Frage der Vermittlung der Unterstützung bei Streiks und Aussperrungen. Die Föderation der Bau- und Metallarbeiter wehrten sich gegen die Entwicklung, die die Regelung der Solidaritätsleistungen allmählich von den Industrie- Föderationen auf die Orts-, Kreis-, und Provinzial- Börsen und auch auf die Geschäftskommission übergehen ließ. Die beiden Föderationen erkannten wohl die Notwendigkeit und die Nützlichkeit einer einheitlichen Regelung an, glaubten aber, da sie sich mit den ihrem Standpunkte zuwiderlaufenden gefaßten Beschlüssen nicht einverstanden erklären konnte, den nächsten Kongreß der FAUD zur endgültigen Regelung dieser Frage abwarten zu müssen.


Dieser Kongreß der FAUD wurde vom 25. bis zum 28. Mai 1927 in Mannheim abgehalten. Seit dem letzten Kongreß der FAUD waren zwei Jahre verflossen, die die syndikalistische Bewegung Deutschlands vor Probleme stellte, die sowohl an die theoretische und taktische Einstellung wie auch an die organisatorische Festigkeit hohe Anforderungen stellten.


Der Volksentscheid zur Enteignung der Fürstenvermögen hatte in den Reihen der Syndikalisten lebhafte Diskussion hervorgerufen. Während der größte Teil für die Beteiligung am Volksentscheid eintrat, wandte sich ein kleiner Teil mit großer Heftigkeit dagegen. Die scharfen Auseinandersetzungen gingen jedoch bald vorüber, so dass der innere Zusammenhalt der Bewegung nicht darunter zu leiden hatte. Die gemeinsame Weltanschauung erwies sich als stärker als die Frage der momentanen Stellungnahme zu einem politischen Problem.

In der Durchführung der Rationalisierung der Industrie erblickten die Syndikalisten ein Wiedererstarken des Kapitalismus. Sie kamen zu diesem Schluß aus der Tatsache, dass die Arbeiterbewegung zu derselben Zeit im allgemeinen stark zurückgedrängt wurde. Naturgemäß hatten unter dieser Zeiterscheinung am stärksten die revolutionären Klassenkämpfer, also auch die Syndikalisten, zu leiden. Denn als die Stillegung und Einschränkung der Betriebe einsetzte, entließen die Unternehmer zuerst die radikalen Elemente. Ebenso stellten sie mit Vorliebe Angehörige der wirtschaftsfriedlichen Organisationen ein. Die dadurch heraufbeschworene Arbeitslosigkeit lastete schwer auf dem Syndikalismus, engte in der Folge die finanzielle Basis der Organisation ein und schwächte ihre Stoßkraft.

Die revolutionäre syndikalistische Bewegung suchte diese Schwierigkeiten dadurch zu überwinden, dass sie ihre Propaganda intensiver gestaltete, Werbewochen veranstaltete, die Zeitung umgestaltete, und anderes mehr. Daneben wurde an dem Ausbau der Organisation gearbeitet, wie es ganz besonders die Konferenz der Kreis- und Provinzial- Arbeitsbörsen in Berlin bewiesen hatte. Die Entscheidung über die von dieser Konferenz offen gelassenen Frage der Regelung der Solidaritätsleistungen bildete die wichtigste Frage auf dem folgenden 16. Kongreß der FAUD. Bereits vor diesem hatten die Metallarbeiter auf einer eigenen Konferenz sich mit der Neuregelung der Streikunterstützung durch die Börsen einverstanden erklärt, sodaß nur von Seiten der Bauarbeiter- Föderation Widerstand zu erwarten war. Aber auch innerhalb der Bauarbeiter war der größte Teil für diese Art der Regelung, und nur ein sehr kleiner Teil einschließlich der alten Föderationsleitung, hinter der nur noch eine Minderheit stand, hielt an ihrem alten Standpunkt fest. Da auf dem Kongreß diese Minderheit nicht zur Geltung kam, konnte mit absoluter Mehrheit gegen wenige Stimmen das neue Streikreglement angenommen werden, nach welchem die Orts-, Kreis- und Bezirksbörsen in Gemeinschaft mit der Geschäftskommission die Solidarität vermitteln sollten.

Neben dieser Programm- Änderung ersetzte der Kongreß die Bezeichnung „Syndikalisten“ in der Prinzipienerklärung der FAUD durch „Anarcho-Syndikalisten“. Dieser Ausdruck sollte die anarchistische Einstellung der syndikalistischen Bewegung zum Ausdruck bringen.

In den großen Problemen, die die Arbeiterbewegung in den letzten Jahren beschäftigte und deren Lösung noch nicht im Sinne des Syndikalismus gelungen war, erkannte der Kongreß die Aufgaben der zukünftigen Arbeit der FAUD. Dazu gehört der Kampf um die Arbeitszeit, um auskömmliche Löhne und um die Existenz der Erwerbslosen. Der Versuch der Zentralgewerkschaften, diese Frage auf dem Wege der Sozialgesetzgebung zu lösen, erschien den Syndikalisten als nicht gelungen.

Sie sahen in diesem Mißerfolg die Rechtfertigung für ihre Anschauung, nach welcher kürzere Arbeitszeit und auskömmliche Löhne nur durch den direkten Kampf der Arbeiter errungen werden könnten. Die schon auf dem zweiten Internationalen Syndikalistischen Kongreß zu Amsterdam zur Parole erhobene Forderung nachdem Sechs- Stundentag in Deutschland populär zu machen, hielt der Kongreß für die nächstliegende Aufgabe der FAUD. Durch die Einführung des Sechs- Stundentages hoffen die Syndikalisten auch das Problem der Arbeitslosigkeit, das innerhalb des kapitalistischen Wirtschafts- Systems niemals ganz ausgeschlossen werden kann, wenn auch nicht zu lösen, so doch in seiner Bedeutung herabzumindern und dadurch die Existenz der Erwerbslosen auf eine sichere Grundlage zu stellen.

Im folgenden Jahr entstand eine innerorganisatorische Unstimmigkeit innerhalb der FAUD, die eine Abänderung eines Teils der „Programmatischen Grundlage“ zur Folge hatte. Es handelt sich um die Frage der Abberufbarkeit von Funktionären der Gesamt- FAUD durch ihren Ortsverein. Zur grundsätzlichen Frage berief die Geschäftskommission für die Tage vom 6. bis zum 8. April 1928 einen außerordentlichen Kongreß nach Leipzig ein. Dieser Kongreß musste zugeben, dass die Geschäftskommission in einem praktischen Falle die Programmatische Grundlage nicht beachtet habe. Er billigte jedoch die Gründe, mit denen sie ihr Verhalten entschuldigte und änderte den betreffenden Absatz der Programmatischen Grundlage folgendermaßen um: „Jeder Wahlkörper, der Funktionäre der FAUD wählt, hat jederzeit das Recht, die von ihm gewählten Funktionäre zurückzuziehen und Neuwahlen vorzunehmen“. Nach diesem Beschluß kann also allein der Kongreß die von ihm gewählten Funktionäre abgerufen, während bisher auch die Organisation, der der Funktionär als Mitglied angehörte, dazu berechtigt war; über jeden Funktionäre entscheidet nur sein Wahlkörper.

 

"Der Krieg ist der Feind der proletarischen Befreiung"

 

 

 

 

Die Verantwortlichen für Krieg und Elend in einer Karikatur im "Syndikalist". Für weitere Informationen Bild anklicken.

 

 

Das selbe Leben unter dem Kaiser

und in der Demokratie-

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Organ der Syndikalistisch-Anarchistischen

Jugend Deutschlands (SAJD)

 

 

 

 

Organ der Provinz-Arbeitsbörse
Südwestdeutschland der FAUD

 

 

Mitgliedskarte der FAUD. Für Großansicht Bild anklicken.

 

 

Mitgliedskarte der FAUD, 30er Jahre - Vorderseite.

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Mitgliedskarte der FAUD, 30er Jahre - Rückseite.

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FAUD Organ aus Dresden. Für weitere Informationen Bild anklicken.

 

 

Internes FAUD Organ. Für weitere Informationen Bild anklicken.

 

Mitgliederrückgang der FAUD
 

Nur innerhalb zweier Jahre erlitt die Bewegung personelle Einbußen, welche die FAUD auf nur ein fünftel ihrer Höchststärke schrumpfen ließ. Von diesen verbleibenden etwa 20.000 bis 30.000 Mitgliedern können etwa die Hälfte als ideologisch gefestigter Kern der Organisation bezeichnet werden.

Bei der Frage nach den Gründen der Entwicklung bis 1929 werden von verschiedenen Seiten verschiedene Ansichten vertreten. Die einen sehen den Rückgang der Bewegung als eine Folge der reaktionären Zeitepoche an, die anderen suchen die Ursache in Fehlern und Versäumnissen. Wieder andere behaupten, dass die syndikalistischen Ideen nicht tief und umfassend genug in die Massen eingedrungen sind, um auf die Dauer ihre Anhängerschaft sicher zu stellen, während solche Richtungen eine größere Gefolgschaft unter den Arbeitern gewinnen konnten, die sich einzig und allein mit Gegenwartsfragen befassen.

Neben der zunehmenden Integration der Arbeiterschaft in die bürgerliche Gesellschaft durch die Ausformung des „Wohlfahrtsstaates“, inneren Richtungsstreitigkeiten, den konkurrierenden und quantitativ weit überlegenen sozialpartnerschaftlich ausgerichteten Zentralverbände und der geringen Werbekraft der FAUD als Ideenorganisation kamen noch folgende weitere Faktoren hinzu, und zwar die voranschreitende Verbürgerlichung proletarischer Kultur, staatliche Repression (Verbot der FAUD 1923), die zunehmende Arbeitslosigkeit und die Unmöglichkeit, nur innerhalb weniger Jahre (1918-1923) die ihnen zulaufenden Massen zu bilden, sowie ideologisch und kulturell in die anarchosyndikalistische Bewegung zu integrieren.

Es wird richtig sein, wenn man nicht nur einen dieser Gründe als die wahre Ursache des Rückganges der revolutionären syndikalistischen Bewegung gelten lässt, sondern alle insgesamt als die bewegende Kraft ansieht.

Zu Zeiten revolutionärer Gärung war es immer so, dass die revolutionären und auch die reformistischen Arbeiterverbände an Mitgliedern gewannen. Die Masse war in Bereitschaft, für ihre Hoffnungen und Ideale zu kämpfen. Die Gegenwartsaufgaben waren derart in den Vordergrund getreten, dass alles Persönliche zurückgedrängt wurde. Mit dem Ausklingen der verlorenen Revolution nahmen aber beide Verbände an Zahl wieder ab. Viele Arbeiter sahen sich in ihren Hoffnungen getäuscht und wandten sich ab. Andere blieben wohl der Bewegung treu, aber sie waren untätig und richteten nun ihre Kritik gegen ihre Organisation. Jetzt beginnen die Zeiten innerer Krisen. Gegenwärtig haben sich die reformistischen Organisationen schon langsam erholt und die Zahlen der Vorkriegszeit überschritten. Auch für die revolutionären Syndikalisten trifft dies zu. Im Vergleich mit der Vorkriegszeit kann also nicht von einem numerischen Niedergang der Bewegung gesprochen werden. Es ist also richtig, jene Zeiterscheinung, die oben beschrieben wurde, als eine zwar tiefere, nicht aber als die alleinige Ursache des Stillstandes anzusprechen.

Ebenso bestanden verschiedene Ansichten über die Möglichkeit, aus der gegenwärtigen Stagnation wieder herauszukommen. Die einen suchten nach neuen Gedankengängen, die anderen nach neuen organisatorischen Formen, wieder andere nach neuen Wegen, alle mit dem Ziele, die Bewegung wieder in die Höhe zu bringen. Zur Belebung dieser Arbeiterbewegung war es auf jeden Fall unrichtig, eine neue Organisationsform oder einen neuen Inhalt der syndikalistischen Bewegung ausfindig zu machen. Notwendig war es, Mittel und Wege zu finden, um die verlorenen Massen der FAUD wieder zuzuführen. Dazu konnte besonders die Einstellung der Tätigkeit auf gegenwärtige Aufgaben, wie Erhöhung der Löhne, Verkürzung der Arbeitszeit, Verbesserung der Arbeitsbedingungen usw. dienen. Allerdings war die Voraussetzung eines solchen selbstgeführten, erfolgreichen Kampfes wiederum die Masse. Die größte Schwierigkeit lag also in der Gewinnung neuer Mitglieder. Das war die nächstliegende Aufgabe der revolutionären syndikalistischen Arbeiterbewegung in Deutschland.

 

Betriebsräte und Tarifverträge

 

Aus diesem Dilemma stark zurückgehender Mitgliederzahlen heraus drängten Fragen nach der Beteiligung an gesetzlichen Betriebsräten oder nach Abschließen von Tarifverträgen vielerorts an die Oberfläche innerorganisatorischer Debatten.

Derlei Aktivitäten wurden als unvereinbar mit den eigenen Prinzipien abgelehnt, welche „direkte Aktionen“ gegen jede Form von Stellvertreterpolitik setzte. Doch drängten gerade die Syndikalisten, wo sie noch über betrieblichen Einfluss verfügten, wie etwa im Ruhrgebiet oder im Rheinland auf Toleranz in diesen Fragen.

Am 01. Februar 1925, hielt die FAUD eine außerordentliche Reichskonferenz in Berlin ab, die notwendig geworden war, um in der Frage der Stellungnahme des Syndikalismus zu den Betriebsrätewahlen und zu den Knappschaftswahlen Klärung zu schaffen. Schon während des 14. Reichskongresses war diese Frage aufgetaucht. Der Erfurter Kongreß hatte zu ihr in einer Resolution in ablehnendem Sinne Stellung genommen, es jedoch den einzelnen Mitgliedern der FAUD überlassen, sich daran zu beteiligen oder nicht. Damit war eine offizielle Beteiligung der FAUD an den gesetzlichen Betriebsräten abgelehnt worden.

Diese Ablehnung bedeutete aber nicht die Verwerfung des Rätegedankens überhaupt.

Die Aufgaben dieser freien Betriebsräte, die sich als Vertrauensleute der FAUD innerhalb der Betreibe darstellen, sind mannigfaltig. „Sie müssen in den Betrieben, bei den Betriebsversammlungen und bei sonstigen Gelegenheiten die Ideen des revolutionären Syndikalismus vertreten, sich selbst für die Übernahme und die Leitung der Betriebe vorbereiten, sowie die Arbeiterschaft immer und immer wieder auf dieses große Endziel der Arbeiterbewegung aufmerksam machen“.

Der Erfurter Kongreß hatte die Frage keineswegs gelöst, sondern nur die endgültige Entscheidung hinausgeschoben. Diese hätte die Reichskonferenz vom Februar 1925 gern getroffen. Sie war aber nicht in der Lage, einen Kongreßbeschluß abzuändern. Da die Meinungen geteilt waren – Rheinland und Westfalen waren für eine Beteiligung an den Betriebsräte- und Knappschaftswahlen, die Wasserkante, Oberschlesien und Nordbayern dagegen – erfand die Konferenz einen neuen Ausweg: sie empfahl den Anhängern beider Richtungen gegenseitig größte Toleranz zu üben und erklärte, dass der Auschluß einzelner Mitglieder oder ganzer Ortsgruppen wegen Beteiligung oder Nichtbeteiligung nicht erfolgen dürfe.

Es sollte die Aufgabe des 15. Reichskongresses der FAUD sein, eine einheitliche Auffassung in der Frage der Stellungnahme zu den Betriebsräten zu erzielen. Jedoch fasste auch dieser Kongreß, der vom 10. bis zum 13. April 1925 in Dresden abgehalten wurde, keinen definitiven Beschluß, da er es vermeiden wollte, in dieser Frage einen diktatorischen Standpunkt einzunehmen. Der Kongreß erklärte im Gegenteil, dass das Problem der Betriebsräte keine prinzipielle Frage sei und dass man sich nach den Umständen in den einzelnen Landesteilen richten müsse. Dadurch wurde ein hartes Aufeinanderplatzen der noch ungeklärten Meinungen vermieden und dem Kongreß nach außen hin das Bild der Einheitlichkeit gegeben.

Als kleinere Ortsvereine der FAUD tatsächlich Tarifverträge abschlossen, wurden diese vom Gesetz jedoch nicht anerkannt, so dass diese Angelegenheit schließlich vor dem Reichsarbeitsgericht landete, welches sich dagegen aussprach, dass eine ihre Prinzipien nach revolutionäre und klassenkämpferische Organisation im Sinne des Tarifrechtes handeln könne, da sie dann ja geltendes Recht anerkennen müsse. Somit erwies sich auch dieser offenbar als Rettungsanker angesehene Vorstoß zur Tarifpartei als nichtig. Beim Stellen von gesetzlichen Betriebsräten hatten die übrigen Arbeiterorganisationen der FAUD im wesentlichen schon den Rang abgelaufen. Dennoch spielte diese Frage für die Organisation noch bis 1932 eine bedeutender werdende Rolle, da sich die Aktiven, da ihnen eben die Massenbasis fehlte, auf andere Weise Einfluss verschaffen wollten, um möglichst wirkungsvoll für die Organisation werben zu können. Insgesamt jedoch war die Integration der Arbeiter in einen sich ausformenden „Sozialstaat“ bereits vollzogen, und die Zentralverbände wachten eifrig über ihre Maßgaben. In den Blick der Syndikalisten gerieten in stärkerem Maße als für diese klassische Industriearbeiterorganisation üblich schließlich auch die Landwirtschaft. Trotz einer eigens eingeführten Beilage im „Syndikalist“ mit dem Titel „Frei das Land“ konnte diese Initiative reichsweit jedoch keinen nennenswerten Einfluss erlangen.

 

 

Flugblatt der FAUD-Arbeiter-Börse Bremen

zu Betriebsratswahlen. Für Großansicht auf Bild klicken.

 

 

Arbeitsmaterialien zum Thema Betriebsräte und

Tarifverträge aus anarcho-syndikalistischer Sicht.

 

 

Willhelm Schroers - Anarcho-Syndikalist aus Delmenhorst
und Gegner der Beteiligung an Betriebsratswahlen.

 

 

Organ der Föderation der Holzarbeiter Deutschlands

 

Die FAUD im Spannungsverhältnis zwischen Industrieföderation und Einheitsorganisation


Neben der Stärkung des Kultursektors bei gleichzeitiger Toleranz gegenüber von ihren Prinzipien abweichenden Ortsvereinen versuchte die FAUD sich den verändernden Verhältnissen auch durch eine Änderung des Organisationsaufbaus anzupassen. Das Schwergewicht verlagerte sich von den aus der FVDG hervorgegangenen Industrieföderation auf die Arbeitsbörsen – entsprechend vermehrter Tätigkeit auf dem kulturellen Sektor. Da sich die ökonomischen und sozialpolitischen Verhältnisse im Reichgebiet in unterschiedlichem Maße und Geschwindigkeit änderten, entstanden folglich innerhalb der FAUD Spannungen um eine reichsweit einheitliche Organisationsregelung. Die eine Seite, welche von den Auswirkungen der äußeren Rahmenbedingungen bereits voll erfasst wurde, strebte nach Organisierung in Form von „Einheitsorganisationen“, welche branchenübergreifend tätig sein sollte. Und die andere Seite, welche noch stärker die Bedingungen der unmittelbaren Nachkriegsjahre vorfand, wollte an der älteren Struktur starker und eigenständiger Industrieföderationen festhalten. Über die Frage einer notwendigen einheitlichen Regelung der Solidaritätszahlungen in Streikfällen kam es dann zum offenen Streit um die Zuständigkeit. Diese sollte künftig laut Kongressbeschluss über die Arbeitsbörsen geregelt werden. Darin sahen die Verfechter der Industrieföderationen einen entscheidenden Angriff auf die Eigenständigkeit der Föderationsstruktur. Da in dieser Frage schnell entschieden werden musste, um die immer mehr in die Marginalität gedrängten Genossen noch wirksam unterstützen zu können, verhärteten sich die Fronten, was zur Abspaltung eines Teiles der Bauarbeiterföderation, des eigentlichen Kerns der Gesamtorganisation, führte. Die Umstellung von einer Gewerkschaft mit anarchistischem Anspruch zu einer anarchistischen Organisation mit gewerkschaftlichen Anspruch war spätestens 1927 vollzogen. Als Ideenorganisation verfügte die FAUD nicht mehr über die agitatorischen Kräfte, welche nötig waren, den Mitgliederschwund aufzufangen. Schließlich waren vor ihnen bereits rätekommunistische, wie anarchistische Organisationen wie die „Föderation kommunistischer Anarchisten Deutschlands“ (FKAD) an dieser Eigenschaft gescheitert. Die Zentralverbände erholten sich hingegen vom insbesondere durch die Inflation und die Ruhrbesetzung 1923 bedingten allgemeinen Mitgliederschwund aller Arbeiterorganisationen, da sie es im Bund mit der Gesetzgebung vermochten, die Arbeiter an ihre Organisationen zu binden.

 

Der Anarcho- Syndikalismus jenseits betrieblicher Organisation

 

Deutlich betonte der führende Kopf der deutschen und internationalen syndikalistischen Bewegung, Rudolf Rocker, in der FAUD-Prinzipienerklärung, dass der Sozialismus letzten Endes eine Kulturfrage sei. Dementsprechend organisierten sich die Anarcho- Syndikalisten nicht nur auf dem betrieblichen Sektor, sondern hatten an vielen bedeutenden Bewegungen ihren Anteil, um für ihre Ideen zu werben und zugleich ökonomische und kulturelle Aufgaben anzugehen, ganz im Sinne ihres Anspruchs, das gesellschaftliche Leben in allen Bereichen auch selber organisieren zu können. Ganz in diesem Sinne gehe ich auch auf FAUD-Personengruppenorganisationen, Hilfsorganisationen und der FAUD nahestehende Alternativbewegungen ein. Desweiteren versuchten die Anarcho-Syndikalisten seit Mitte der zwanziger Jahre, den anhaltenden Mitgliederverfall der FAUD, auf dessen Gründe ich bereits einging, durch Mehraktivität auf dem Kultursektor aufzufangen. Hierbei zu nennen sind vor allem die Beteiligung von Syndikalisten in der Freidenkerbewegung und die eng an die FAUD angeschlossene „Gilde freiheitlicher Bücherfreunde“ (GfB). Der Einfluss des Anarcho- Syndikalismus auf die proletarische Sängerbewegung muss noch erst erforscht werden. Hier soll es genügen, darauf hinzuweisen, dass sie sich vielerorts in Gesangsvereinen engagierten.

 

 

 

 

Benno Scharmanski, ehem. Mitglied der FAUD und der anarcho-syndikalistischen "Freien Sänger" München und
Adelheid Opfermann, Anarchistin und Weggefährtin,
Mitte der 90er Jahre.

 

 

 

Gedenkausgabe zu Michael Bakunins

50. Todestag am 1. Juli 1926

 

 

Mitgliedskarte der "Proletarischen Freidenker Jugend".

Für weitere Informationen Bild anklicken.

 

 

Mitgliederwerbung für die GfB.

 

 

Werbeanzeige des ASY-Verlag

 

 

Der ganz normale Krieg: Tod durch Arbeit

 

 

Die Kulturorganisationen

Die „Gemeinschaft proletarischer Freidenker“ (GpF)


Die Freidenkerbewegung mit reichsweit über einer Million Mitglieder war in unzählige Richtungen gesplittet, denn in den meisten Fällen gelang es den politischen Parteien, ihren Einfluss geltend zu machen. Andererseits einte die Freidenkerbewegung das Proletariat über Parteigrenzen hinweg gegen den starken Einfluss der Kirchen. Die Syndikalisten engagierten sich gegen die Machenschaften der Kirchen seit 1927/28 vermehrt in der Gemeinschaft proletarischer Freidenker (GpF). So setzten sie anstelle der Konfirmationen einen selbstorganisierten Schulentlassungsunterricht, wo sie gezielt über weltliche Fragen aufklärten. Den Abschluss bildeten dann die Schulentlassungsfeiern, auf welchen die Jugendlichen auch mit einem gewissen Zeremoniell in die Welt entlassen wurden. Zentrales Anliegen war die Werbung für den Kirchenaustritt. Dominierend waren hier jedoch die Mitglieder der KPD, welche in den führenden Positionen gegen die Syndikalisten agierten. Die Zusammenarbeit mit autoritären Kommunisten war innerhalb der FAUD umstritten, doch hielt es die Mehrheit für notwendig, jenen nicht das Feld zu überlassen, sondern sich aktiv im Sinne einer Freidenkerbewegung, welche diesem Namen auch gerecht werden sollte, einzubringen. Doch schwand der Einfluss der Syndikalisten, vor allem aufgrund der ständigen Fluktuation zwischen den einzelnen Verbänden, der Dominanz der sozialdemokratischen Funktionäre, aber auch den innerorganisatorischen geführten Kämpfen zwischen „linientreuen“ KPD- Mitgliedern und denen der KP-Opposition. Die Gemeinschaft proletarischer Freidenker bot den Syndikalisten insgesamt bei regionalen Unterschieden nur wenig Raum zur Entfaltung.


Die „Gilde freiheitlicher Bücherfreunde“ (GfB)
 

Anders verhielt es sich mit der Gilde freiheitlicher Bücherfreunde (GfB). Diese wurde von der FAUD seit 1927 eigens als eng mit ihr verbundene Kulturorganisation gegründet und konzeptioniert. Ein Jahr später konstituierte sich die GfB-Leipzig als erste Gildengruppe noch ohne reichsweiten Zusammenhang, welcher sich im Jahre 1929 bildete. Die beitragspflichtigen Mitglieder wurden im Gegenzug mit syndikalistischer Literatur versorgt und konnten Bücher auch durch Teilzahlungen erwerben. Die Ortsvereine der Gilde organisierten Lesungen, Theater-und Konzertvorstellungen mit Persönlichkeiten wie Erich Mühsam, Rudolf Rocker, Emma Goldman, Helene Stöcker, Bruno Vogel oder Theodor Plievier. Als Organ gab sie die Monats- und später Vierteljahreszeitschrift „Besinnung und Aufbruch“ heraus. Rudolf Rocker veröffentlichte hier erste Auszüge aus seinem erst Jahre später erscheinenden Werk „Die Entscheidung des Abendlandes“. Die Gesamtmitgliederstärke belief sich bei einem rasanten Anstieg seit 1928 reichsweit auf 1.250 Mitglieder im Jahre 1931. Eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der FAUD war hier nicht obligatorisch. Die GfB kann als der insgesamt erfolgreichste Versuch gewertet werden, den Mitgliederschwund der FAUD zu verlangsamen. So wuchs die Göppinger Gilde (Württemberg) innerhalb nur eines halben Jahres auf 80 Mitglieder an und stellte in der Kleinstadt noch vor der sozialdemokratischen Büchergilde die größte Vereinigung dieser Art. Ihr Erfolg lässt sich auch daran messen, dass sie nach dem Kriege unter dem gleichen Namen weitergeführt wurde.


Die Hilfsorganisationen

Der „Reichsverband für Geburtenregelung und Sexualhygiene“ (RVfG).

 

Eine Hilfsorganisation allen voran für jüngere Frauen, Arbeiter und arme Proletarierfamilien fand sich im 1928 gegründeten „Reichsverband für Geburtenregelung und Sexualhygiene“ (RVfG). Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, beratend tätig zu sein, über Verhütung, Abtreibung und Strafrecht aufzuklären. Auch verteilten die Aktiven Verhütungsmittel und vermittelten Abtreibungen. Der RVfG solte dabei in politischer, gewerkschaftlicher und religiöser Hinsicht neutral bleiben. Das FAUD- Mitglied Franz Gampe (Nürnberg) führte den Vorsitz. Die Organisation wuchs bis zum Jahre 1930 auf über 15.000 Mitglieder in knapp 200 Ortsvereinen.
 


Die „Schwarzen Scharen“

 

Eine weitere Organisation bildete sich aufgrund der heftiger werdenden Attacken links- und rechtsradikaler Organisationen auf Veranstaltungen anarcho-syndikalistischer Gruppen heraus. Besonders die Jugend formierte Ende der zwanziger Jahre von Oberschlesien und Berlin ausgehend militante Kampforganisationen, die sich in den meisten Städten „Schwarze Scharen“ nannten und reichsweit über wenige hundert Angehörige verfügten.. Sie sollten beispielsweise Veranstaltungen der FAUD oder nahestehender Organisationen vor Störungen durch Nationalsozialisten oder Kommunisten schützen. Sie können als das anarcho-syndikalistische Gegenstück beispielsweise zum „Reichsbanner“ der SPD oder zum „Roten Frontkämpferbund“ (RFB) der KPD bezeichnet werden. Ihre Mitglieder trugen einheitlich schwarze Kleidung, verfügten teilweise über Schusswaffen und wurde auch in Auseinandersetzungen verwickelt. Die „Schwarzen Scharen“ waren der FAUD nicht offiziell angegliedert, da es dort auch Proteste gegen die Militarisierung der eigenen Organisation gab. Da die FAUD allerdings auch nicht als eine grundsätzlich pazifistische Bewegung eingestuft werden kann, wurden diese militanten Formationen geduldet und darüber hinaus vielerorts als Saalschutz engagiert.


Die Erwerbslosenbewegung
 

Da die Unternehmen hauptsächlich antikapitalistische Arbeiter entließen, sammelten sich diese schon bald massenhaft in Erwerbslosenausschüssen. Die Gewichtungsverschiebung innerhalb der FAUD von den Industrieföderationen auf die Arbeitsbörsen begünstigte die Beteiligung von Anarcho-Syndikalisten an dieser Bewegung. Denn auch die FAUD ging auf die veränderten Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt ein, nachdem sie sich als Gewerkschaftsbewegung dem zu großen Teilen eher verweigerte. Auf ihrem letzten Reichskongress 1932 gelang dieser Frage der Durchbruch auf der zentralen Themenliste der Anarcho-Syndikalisten. An vielen Orten beteiligten sie sich bereits an Erwerbslosenprotesten, organisierten gegenseitige Hilfe und Beratungen. Aus der originären Gewerkschaftsbewegung mit Streikwaffe war in großen Teilen in dieser Hinsicht eine Konsumentenorganisation mit der Waffe des Boykotts geworden.

 

Die Alternativbewegungen zur FAUD

Die Siedlungs- und Genossenschaftsbewegung


Innerhalb der FAUD eher weniger angesehen waren die Aktiven der Siedlungs- und Genossenschaftsbewegung, bei wenigen Ausnahmen wie die Schriftsteller Theodor Plievier oder Helmut Klose. Der revolutionäre Klassenkampf sei nämlich nicht über Separierung von der Arbeiterschaft, sondern nur als betriebliche Klassenorganisation zu führen. Die Macht der Industriemonopole könne nur von innen heraus durch die Beschäftigten gebrochen werden. Siedlungs- oder Genossenschaftsprojekte hingegen seien nicht unabhängig, sondern letztlich vom Wohlwollen ihrer kapitalistischen Konkurrenz abhängig und damit von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dennoch entstanden überall im Reichsgebiet Siedlungsprojekte, an denen sich Anarchisten und Syndikalisten beteiligten. In diesem Streit um die Siedlungsfrage wurde sogar ein Mitglied der Redaktion des FAUD-Organs „Der Syndikalist“ seiner Aufgabe enthoben, da er trotz gegenteiliger Absprache, nämlich die Beiträge auf betriebliche Fragen zu konzentrieren, Artikel zur Siedlungsfrage veröffentlichte. Dies trüge dazu bei, aus einer proletarischen Kampforganisation eine Sekte werden zu lassen, welche mit dem realen Leben nichts mehr zu tun habe. Unter anarcho- syndikalistischem Einfluss entstanden z.B. die Siedlungen „Freie Erde“ in Düsseldorf und Stuttgart oder auch der Barkenhoff unter maßgeblicher Mitwirkung von Heinrich Vogeler in Worpswede.


Die Vagabundenbewegung
 

Einen, wenngleich geringeren Einfluss, übte die Vagabundenbewegung auf den organisierten Anarcho- Syndikalismus aus. Diese entfaltete sich zunehmend Ende der zwanziger Jahre und organisierte sich um ihren „Vagabundenkönig“ Gregor Gog seit 1927 in der „Internationale(n) Bruderschaft der Vagabunden“. Gog organisierte 1929 bei Stuttgart einen ersten „Weltkongress der Vagabunden“ von tatsächlich internationaler Beachtung. Desweiteren wurden Hungermärsche organisiert. Als Organ der „Kundenbewegung“ erschien „Der Kunde“, herausgegeben von Gog. Er und seine Frau, Anni Geiger- Gog, standen der FAUD sehr nahe und publizierten in deren Organen. An dieser Bewegung beteiligten sich auch Theodor Plievier und Helmut Klose. Gog wurde aufgrund seines offensiven Auftretens mit einigen Strafverfahren überogen, u.a. wegen Gotteslästerung. Ganz im Gegensatz zur Mehrheit der anarcho-syndikalistischen Bewegung propagierte er die Faulheit als revolutionäre Tat. Scharf kritisierte er den autoritären Kommunismus in allen seinen Facetten, bis er im Jahre 1930 eine mehrwöchige Reise in die Sowjetunion unternahm und um 180 Grad gewendet nach Deutschland zurückkehrte. Er der Vagabund polemisierte nur wenige Monate später reichsweit auf zahlreichen Veranstaltungen, darunter auch solche seiner einstigen Freunde, gegen Anarchismus und Syndikalismus als kleinbürgerliche Bewegungen. Dies wurde in der syndikalistischen Presse mit reichlich Häme und Warnungen vor seiner Person quittiert.

 

 

 

Die "Bakuninhütte" in Meiningen/Thüringen.

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Buchautorin Anni Geiger-Gog:
"Fiete, Paul & Co. Wir von der Webergasse" (1932).

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